Akkreditierung
Sigrid Schubert, Universität Dortmund
Akkreditierung neuer Angebote
1999 führte die Kultusministerkonferenz (KMK) das Instrument der Akkreditierung
ein, um vor dem Beginn eines Bachelor- oder Masterstudienganges an einer
deutschen Hochschule:
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die Qualität zu sichern,
-
die Studierbarkeit nachzuweisen,
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Vielfalt zu ermöglichen,
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Transparenz zu schaffen.
Die Akkreditierung ersetzt die staatliche Genehmigung durch die zuständigen
Ministerien nicht. Diplom-, Lehramts- und traditionelle Magisterstudiengänge
der Informatik werden nicht akkreditiert. Das mag historisch bedingt sein,
sinnvoll ist es nicht, denn die Akkreditierung fördert die Weiterentwicklung
der Ausbildung und den Wettbewerb im Land und über die Ländergrenzen
hinweg. In vielen Studienordnungen wurden bereits die Kriterien der Akkreditierung,
z. B. Kreditpunktesystem verankert (vgl. FBI 2001).
Der Akkreditierungsrat der KMK und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK)
erteilt den Agenturen die zeitlich befristete Erlaubnis der Akkreditierung
(vgl. Akkreditierungsrat 1999). Betont wird die erforderliche Unabhängigkeit
der Agenturen. Ministerien sollten die Akkreditierung deshalb nicht übernehmen.
In den Akkreditierungsgremien (z. B. Audit-Teams) soll die Berufspraxis
angemessen beteiligt sein. Es geht nicht um eine Vereinheitlichung der
Angebote, sondern um die bessere Vergleichbarkeit der Dienstleistungen
von Hochschulen. Begutachtet wird das Studienkonzept. Es soll plausibel
und wohlstrukturiert sein und die Entwicklung der Berufsfelder ebenso enthalten
wie die Ressourcen der Bildungseinrichtung (personelles Potential, Ausstattung
mit Räumen und Geräten). Diplom- und Master-Studiengänge
sollen verbunden werden durch Übergangsmöglichkeiten. Brückenkurse
können den Einstieg von ausländischen Studierenden und in der
Wirtschaft Tätigen erleichtern.
Probleme bereitet die synonyme Verwendung der Bezeichnungen Master
und Magister, da die traditionellen, deutsche Magisterstudiengänge
nicht mit den internationalen Masterstudiengängen übereinstimmen.
Die Magisterstudiengänge verbinden zwei Studienfächer, häufig
aus dem Bereich der Geisteswissenschaften, und werden mit einer Magisterarbeit
abgeschlossen. Die Absolventen können z. B. in Verlagen oder in der
Wirtschaft den interdisziplinären Dialog zwischen Vertretern ihrer
Fächer fördern. Sie besitzen keine Lehrerlaubnis für Schulen.
Der Magisterabschluss wird aber häufig mit dem Lehrerexamen verwechselt,
da es Länder gibt, in denen das übereinstimmt.
Für die Akkreditierung eines Studienganges legt die antragstellende
Hochschule ihre Studienordnungen vor mit:
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Begründung des Studienganges,
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Struktur des Studiums und der fachlich-inhaltlichen Anforderungen,
-
personeller, sächlicher und räumlicher Ausstattung,
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Qualitätssicherungsmaßnahmen,
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studienbezogener Kooperation.
Das Akkreditierungsverfahren erfolgt in zwei Stufen. Nach positiver Begutachtung
der Konzepte und der Überprüfung der Ressourcen erfolgt eine
vorläufige Akkreditierung. Dabei sind Auflagen mit definierten Zeitphasen
für die Umsetzung möglich. Nach dem erfolgreichen Abschluss der
ersten Absolventen kann die zweite Akkreditierung für maximal sechs
Jahre erfolgen, falls alle Auflagen erfüllt wurden.
Standards zur Akkreditierung
Die international üblichen Akkreditierungsverfahren sind umstritten.
Sie sind mit hohen Kosten verbunden, sichern aber nur bedingt die Qualität,
da eine Vielzahl von Agenturen nach sehr unterschiedliche Maßstäben
arbeitet. Hochschulen mit besonders guten Ruf, benötigen keine Akkreditierung.
Sie sichern die Qualität ihrer Abschlüsse über das Auswahlverfahren
ihrer Studierenden. Wichtiger als die Akkreditierung ist die Reputation
der zeugnisausstellenden Hochschule. Bachelorabschlüsse, analog Masterabschlüsse,
sind im angloamerikanischen Raum keineswegs gleichwertig oder vergleichbar.
Die Akkreditierung bildet in Deutschland ein neues Evaluationselement
der Lehre mit einem breiten Spektrum an Erwartungen. Da verschiedene Agenturen
solche Akkreditierungen vornehmen können, entwickelte die Gesellschaft
für Informatik (GI) zusammen mit Fakultätentag und Fachbereichstag
Informatik und Vertretern der Wirtschaft (vgl. GI 2000) Standards zur Akkreditierung
von Studiengängen der Informatik und interdisziplinären Informatikstudiengängen
an deutschen Hochschulen. Ein Mindestniveau soll gesichert werden. Die
Audit-Teams, die die Akkreditierung vornehmen, sollen in Abstimmung mit
Fakultätentag, Fachbereichstag und Industrie besetzt werden, um Experten
zu gewinnen, die mit den Standards bereits vertraut sind. Die Standards
wurden unterteilt in verpflichtende und wünschenswerte Forderungen,
um der Vielfalt der Studiengänge gerecht zu werden. Die Studiengänge
werden je nach Verantwortlichkeit der Informatik eingeteilt in:
Typ 1: Informatikstudiengänge (mind. 65 % Informatikanteil),
Typ 2: Studiengänge mit speziellem Anwendungsbereich (50 % Informatikanteil),
Typ 3: interdisziplinäre Studiengänge (gleicher Anteil der Fächer).
Die Fachkommission Informatik des Akkreditierungsverbundes für Ingenieurstudiengänge
(vgl. AVI 1999) teilt in fünf Studiengangtypen ein:
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Informatik (65-75 % Informatik),
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Informatik + Fach X (50-65 % Informatik),
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Informatik / Fach X (30-50 % Informatik),
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Fach X + Informatik (15-30 % Informatik),
-
Fach X (10-20 % Informatik).
Das mag auf den ersten Blick nebensächlich erscheinen, hat aber Auswirkungen
auf die Zuständigkeit eines Expertengremiums. Typischerweise akkreditieren
Informatikexperten nur die Studiengänge ihres Faches. Die Informatik
ist eines der Fächer mit sehr vielen interdisziplinären Studiengängen,
den sogenannten Bindestrich-Informatiken (z. B. Bio-Informatik, Medien-Informatik).
Die Akkreditierungsagentur prüft die Anforderungen (z. B. Semesterwochenstunden
in den Schwerpunkten) je nach Typzuordnung. Es entstehen aber auch neue
Ausbildungsformen, deren Zuordnung zur Informatik noch offen ist. So gestaltet
zur Zeit eine Gruppe von Wissenschaftlern des Fachbereichs Informatik der
Universität Dortmund im Auftrag des Bildungsministeriums des Landes
Nordrhein-Westfalen ein Curriculum für IT-Bachelor und IT-Master,
die auf der 2jährigen Ausbildung zum IT-Professional aufsetzen (vgl.
IT-Center Dortmund 2000).
Informatikdidaktik
Die Akkreditierung der Studiengänge hat eine interessante Auswirkung
auf die Informatikdidaktik. So fordert der Akkreditierungsrat die Beschreibung
von:
-
zu vermittelnden Fach- und Methoden-, Lern- und sozialen Kompetenzen (fachspezifischen
und fachübergreifenden Kenntnisse),
-
Didaktischen Konzepten und vorgesehenen Lehrmethoden.
Solche Konzepte wurden vorher nicht in die Studien- und Prüfungsordnungen
der Hochschulen aufgenommen. Die geforderte schriftliche Darstellung wertet
die Informatikdidaktik deutlich auf. Es reicht nicht mehr, dass allein
der Lehrende davon weiß. Externe Gutachter müssen die Konzepte
der Informatikdidaktik bewerten können.
In den GI-Standards finden sich erste Ansätze für informatikdidaktische
Konzepte. So werden z. B. die Kompetenzfelder der Studierenden ausgewiesen,
getrennt nach Fachhochschulen und Universitäten:
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Informatik,
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mathematisch, natur- und ingenieurwissenschaftliche Grundlagen,
-
allgemeine Grundlagen:
-
Zusatzkompetenzen, Förderung der Persönlichkeitsbildung, ökonomische
und juristische Grundlagen,
-
Anwendungs- oder Nebenfach,
-
studientypspezifische Anteile.
Für die Informatikdidaktik bildet die klare Struktur der Lehrdisziplin
einen beachtlichen Fortschritt. Zu den "Grundlagen der Informatik" zählen:
-
Automaten und Formale Sprachen,
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Berechenbarkeit und Komplexität,
-
Programmiersprachen und -paradigmen,
-
Entwurf und Analyse von Algorithmen und Datenstrukturen,
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Logik, Semantik, Wissensrepräsentation,
-
Formale Spezifikation und Verifikation,
-
Digitaltechnische Grundlagen,
-
Informatik und Gesellschaft.
"Informatik der Systeme" umfasst:
-
Modellierung von Systemen,
-
Softwaretechnik,
-
Verifikationssysteme,
-
Entwicklung von Hardwaresystemen,
-
Entwicklung von Softwaresystemen (Spezifizieren, Programmieren, Software-Engineering),
-
Laufzeitsysteme und Übersetzter,
-
Betriebs- und Kommunikationssysteme,
-
Datenbanken und Informationssysteme,
-
Transaktionssysteme,
-
Rechnersysteme,
-
Verteilte Systeme und Netze,
-
Eingebettete Systeme,
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Wissensbasierte und lernende Systeme.
"Angewandte Informatik" wird charakterisiert durch:
-
CAD,
-
Computer-Grafik,
-
Betriebliche Informationssysteme,
-
Robotik, Simulation,
-
Multimedia,
-
Visualisierung,
-
Mustererkennung,
-
Bildverarbeitung,
-
Spracherkennung und -verarbeitung,
-
Virtuelle Realität,
-
Computer Algebra,
-
Scientific Computing,
-
Mensch-Maschine-Interaktion.
Diese Struktur kann sehr gut zur Studienberatung und Motivation für
das Fach genutzt werden. Zu den allgemeinen Grundlagen gehören an
Universitäten neben Fremdsprachen und Projekt-Management auch die
Didaktik und die Vortrags- und Präsentationstechniken, die durch Seminare
unterstützt werden sollen. Akkreditierung stellt klare Forderungen
an die Informatikdidaktik und fördert damit zugleich die Qualität
der Lehre an den Hochschulen.
Literatur/Links
Akkreditierungsrat (1999): Akkreditierung von Akkreditierungsagenturen
und Akkreditierung von Studiengängen mit den Abschlüssen Bachelor/Bakkalaureus
und Master/Magister - Mindeststandards und Kriterien. http://www.akkreditierungsrat.de
AVI (Akkreditierungsverbund für Ingenieurstudiengänge (1999):
Akkreditierung - Beschluss der Fachkommission Informatik des AVI vom 10.9.1999.
http://wwwagz.informatik.uni-kl.de/staff/zimmerma/FakulTagInf/AkkKomm.d/AVIBeschluss.html
Claus, V.; Kern, H. (2000): Akkreditierung von Studiengängen, Broschüre
des Informatik-Forum e.V., Stuttgart.
FBI (Fachbereich Informatik der Universität Dortmund) (2001): Studiengänge
Informatik, Angewandte Informatik, Lehramt Informatik.
http://www.cs.uni-dortmund.de
GI (Gesellschaft für Informatik) (2000): Standards zur Akkreditierung
von Studiengängen der Informatik und interdisziplinären Informatikstudiengängen
an deutschen Hochschulen, Bonn.
http://www.gi-ev.de
KMK/HRK (1999): Neue Studiengänge und Akkreditierung, Beschlüsse
von Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz, Bonn.
http://www.kmk.org
IT-Center Dortmund (2000): Ausbildung IT-Professional (läuft),
Studiengänge IT-Bachelor und IT-Master (in Vorbereitung).
http://www.itc-dortmund.de
Adresse
Prof. Dr. Sigrid Schubert
Fachbereich Informatik
Universität Dortmund
44221 Dortmund
E-Mail: schubert@cs.uni-dortmund.de
WWW: http://ddi.cs.uni-dortmund.de
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