Entscheidungsvorlage zu Beschaffung und Betrieb
von Lernmanagement-Systemen an der Universität Potsdam
Andreas Schwill
Multimedia AG
Fassung v. 21.05.2004
Grundlage: Beschluss IVK 4/77 vom 19.04.2004
Aktualisierungen: 16.06.2004
Vorbemerkungen
Im Nachgang zu einem Projekt, das seinerzeit durch den Innovationsfonds
der Universität gefördert wurde, und an dem vier Fakultäten
beteiligt waren, werden seit 2000 zunächst im Probebetrieb, später
im eher ungeordneten Regelbetrieb mehrere Lernmanagement-Systeme (LMS)
an der Universität Potsdam eingesetzt und durch zahlreiche Nutzer
aller Fakultäten intensiv genutzt. Die umfangreichen Erfahrungen,
die bisher mit den Systemen gesammelt wurden, und der Grad der Nutzung
erfordern nun eine zumindest mittelfristig beständige Planung und
Sicherstellung des Betriebs.
Dazu wurde durch die Multimedia AG als Unterkommission der IVK kürzlich
eine detaillierte Evaluation vorhandener und weiterer verfügbarer
Systeme durchgeführt, die zu dieser Entscheidungsvorlage kondensiert
wurde.
Aktuelle Situation
Seit dem Jahr 2000 werden die Systeme WebCT und Lotus Learning Space,
seit 2002 auch Blackboard und ILIAS in der Lehre eingesetzt und von der
ZEIK administriert. Daneben finden Clix Campus (auf der Grundlage eines
Leasing-Modells der MHSG Berlin) durch Lehrende in der Informatik und Stud-IP
im Rahmen eines Lehr-Verbunds innerhalb eines Drittmittelprojektes Verwendung
und zu Testzwecken liegt seit jüngster Zeit auch Moodle verfügbar
auf einem Server.
Seit der Einführung der LMS hat sich auf der einen Seite die Zahl
der Nutzer ständig erhöht. Derzeit werden die an der Universität
vorhandenen LMS von insgesamt etwa 3000 Studierenden und Lehrenden genutzt.
Die tatsächliche Zahl ist deutlich höher, da bestehende Anmeldungen
wegen begrenzter Lizenzen nach Schluss eines Semesters zum Teil gelöscht
werden müssen.
Ferner sind in beträchtlichem Maße Erfahrungen über
die Funktionalitäten von LMS (Kursmanagement, Datei-/Content-Management,
Prüfungsmanagement, Kommunikationsmanagement), über Vor- und
Nachteile der Nutzung gegenüber traditionellen Lehrformen sowie über
die spezifischen Möglichkeiten der LMS aus didaktischer Sicht gesammelt
worden. Auf der anderen Seite hat die ZEIK im Verlaufe der letzten Jahre
ausreichend Kompetenzen erworben, um LMS als Regeldienst anbieten zu können.
Aus Effektivitätsgründen (verfügbare Serverkapazität;
zu bewältigender Pflegeaufwand durch die ZEIK, Einarbeitungszeit von
Dozenten, Ausweitung der E-Learning-Anstrengungen der Universität)
ist es nun erforderlich, die Zahl der durch die ZEIK angebotenen LMS zu
begrenzen und maximal zwei Systeme für eine überschaubare Zukunft
bereitzustellen. Der Auswahl dieser beiden Systeme widmet sich diese Empfehlung.
Maximen der Auswahl
Laufzeit der Empfehlung
Die Empfehlung kann sich aus mindestens folgenden Gründen kaum
auf einen längeren Zeitraum als zwei Jahre erstrecken:
-
die funktionale Entwicklung von LMS verläuft weiterhin außerordentlich
dynamisch. Regelmäßig erscheinen neue und geänderte Produkte
mit z. T. drastisch erweiterten Anwendungsspektren;
-
Bezugsbedingungen und Preise unterliegen ständigen Veränderungen
und machen eine dauerhafte Finanzierung derzeit unüberschaubar;
-
der zu erwartende weitere Anstieg der Nutzung sowie neu hinzukommende Nutzer
werden neue Bedürfnisse hinsichtlich Zugang und Nutzung der LMS erzeugen,
die derzeit schwer abschätzbar sind.
Nutzungskosten
Solange nicht eine deutliche Durchdringung aller Fakultäten mit
E-Learning-Anbietern unter Nutzung von LMS erreicht ist, soll der Zugang
zu den Systemen von allen Seiten kostenfrei möglich sein. Ab einer
Nutzungsintensität von etwa 30% der Lehrenden oder 30% der Studierenden
kann eine nutzungsabhängige Beteiligung an der Finanzierung der LMS
(Lizenz- und Administrationskosten in der Größenordnung von
derzeit ca. 10 EUR/Student/Jahr) vorgesehen werden, über die dann
erneut entschieden werden muss.
Anzahl vorgehaltener Systeme
Die Zahl am Markt verfügbarer LMS ist unüberschaubar. Für
die Universität ist ein Kompromiss zwischen Reichhaltigkeit am Standort
angebotener Systeme, aufzuwendender Lizenzkosten, verfügbarer Kapazitäten
zur Administration bei der ZEIK und Nachhaltigkeit bzw. zukünftiger
Anschlussfähigkeit zu suchen. Die Multimedia AG hat sich für
einen minimalistischen Zugang entschieden, der aber eine möglichst
große Bandbreite erwartbarer Entwicklungen erfassen soll: Es sollen
zwei
Systeme an der Universität vorgehalten werden, von denen das eine
ein High-End-Produkt eines kommerziellen Anbieters, das andere eines der
besten Open-Source-Produkte ist. Die folgende Tabelle verdeutlicht die
damit erfasste Spannweite möglicher zukünftiger Entwicklungen:
Kommerzielles System |
Open-Source-System |
hohe jährliche Lizenzkosten |
keine Lizenzkosten |
Administration eher gering, Support gesichert |
Administration eher hoch, Support nur in Eigenleistung
und im Rahmen üblicher Open-Source-Bedingungen gegeben |
Nachhaltigkeit durch dauerhafte Verfügbarkeit, Einschränkungen
ggf. durch stark steigende, möglicherweise später nicht mehr
finanzierbare Lizenzkosten |
Nachhaltigkeit durch ständige Weiterentwicklung der
Open-Source-Akteure, permanente Verfügbarkeit der neuesten Versionen |
Auswahl und Kriterien
Den o. g. Maximen folgend hat die Multimedia AG drei kommerzielle Systeme
und drei Open-Source-Systeme in die engere Wahl gezogen und auf der Basis
anerkannter sowie eigener Kriterien evaluiert. Die Beschränkung auf
ausgewählte Systeme begründete sich aus dem Kenntnisstand der
in der Multimedia AG beteiligten Personen, den an der Universität
verfügbaren Systemen und ihrer Akzeptanz und dem verfügbaren
Zeitbedarf für die Bewertung: Ein System wurde in den Bewertungspool
aufgenommen, wenn ein Mitglied der Multimedia AG eine gewisse Expertise
besaß und/oder das System an der Universität eingesetzt wird
und eine gewisse Akzeptanz erreicht hat. Schulungsmaßnahmen lassen
sich darüber hinaus günstiger organisieren.
Kommerzieller Bereich
Im kommerziellen Bereich wurden folgende Systeme in die engere Wahl
gezogen:
-
WebCT: Der Marktführer im LMS-Bereich wurde an einer amerikanischen
Universität entwickelt und später kommerzialisiert. An der Uni
Potsdam wurde das System erstmalig durch die o. g. vom Innovationsfonds
geförderte Arbeitsgruppe eingesetzt. Der Hauptnutzer ist derzeit das
Sprachenzentrum, das die Einstufungstests zu Semesterbeginn elektronisch
unterstützt durchführt. Die Finanzierung des Systems ist bis
zum Herbst 2005 gesichert.
-
Blackboard: Der Hauptkonkurrent von WebCT ist ebenfalls ein amerikanisches
System. Hauptnutzer ist mit mehreren tausend Nutzern die WiSo-Fakultät,
die das System zur Unterstützung der Einschreibformalitäten in
Lehrveranstaltungen zu Semesterbeginn und zur Bereitstellung für Lehrmaterialien
verwendet. Die Finanzierung des Systems läuft im Herbst 2004 aus.
-
Clix Campus: Das System der dt. Fa. IMC, einer Tochterfirma von IDS Scheer,
ist noch relativ neu, aber nicht weniger leistungsfähig als die beiden
anderen. Hauptnutzer ist Prof. Rebensburg aus der Informatik. Das System
ist aus zwei Gründen in die engere Wahl gekommen: zum einen ist es
als Basisplattform von der MHSG Berlin und vom Universitätsverbund
Multimedia in Brandenburg ausgewählt worden, zum anderen bietet die
MHSG die Möglichkeit zur Wahl alternativer Finanzierungsmodelle (Leasing
von Bausteinen), zur Betreuung von Kursanbietern und eine zentrale Administration.
Die Finanzierung des Systems ist zum Ende des WS2003/2004 ausgelaufen.
Die drei Systeme wurde gem. des Kriterienkatalogs von edutech, einer Expertengruppe
an der ETH Zürich, einer Studie von D. Titarev (Gastwissenschaftler
an der Uni Potsdam) und einer Studie der Fraunhofer-Gesellschaft bewertet.
Zur Anwendung kamen 14 inhaltliche und technische Kriterien in drei Gruppen
(stud. Arbeitsumgebung, Studentenbetreuung, Kursentwicklung), die entsprechend
des universitären Nutzungsprofils und Bedarfs gewichtet wurden, bisherige
Akzeptanz und der Preis (bei allen Systemen liegen die Listenpreise für
die Vollversion bei ca. 40000 EUR/Jahr). Die technischen
Einzelwertungen sind
hier
abrufbar. Im Ergebnis ergibt sich folgende Reihung:
-
Blackboard
-
WebCT
-
Clix Campus
Den Ausschlag, Blackboard trotz einer etwas schlechteren
Plazierung in der technischen Einzelwertung gegenüber WebCT zu bevorzugen,
haben Nutzerzahlen und bisherige Akzeptanz des Systems innerhalb der Universität
Potsdam gegeben.
Open-Source-Bereich
Die drei betrachteten Open-Source-Produkte sind:
-
Ilias: Das System entstand im Rahmen eines BMBF-Projekts an der Uni Köln.
Derzeit steht es den kommerziellen Systemen funktional noch deutlich nach.
So fehlen z.B. weitgehend Funktionen zur Studentenverwaltung. Allerdings
ist es beim kürzlichen Wettbewerb der IHK Brandenburg um das für
die Weiterbildung und die Publikation von Lernangeboten der brandenburgischen
Wirtschaft am besten geeignete System auf den dritten Platz gekommen (Platz
1 und 2 belegen zwei kommerzielle Systeme).
-
Moodle: Dieses in Australien entwickelte und frei verfügbare System
wurde zunächst für eine weitere Prüfung vorgeschlagen, ist
dann allerdings mangels geeigneter Expertise in der Multimedia AG nicht
mehr weiter analysiert worden. Derzeit wird es von der ZEIK im Rahmen eines
Testbetriebs zur Verfügung gestellt.
-
stud-IP: Das System stammt von der Uni Osnabrück. Eigentlich ist es
kein echtes LMS wie die übrigen, da es vorwiegend die Verwaltung von
Studenten und ihre Versorgung mit Informationen von Veranstaltern und untereinander
unterstützt. In Kombination mit Ilias, mit dem es nahtlos gekoppelt
werden kann, ergibt sich jedoch ein großer Funktionsumfang.
Im Ergebnis wurde im Open-Source-Bereich das System Moodle zunächst
verworfen und nur noch das Tandem Ilias/stud-IP gemeinsam berücksichtigt,
so dass sich folgende Plazierung ergibt:
-
Ilias und stud-IP
Empfehlung
Auf der Grundlage der obigen Überlegungen ergeht folgende Empfehlung
an die Universitätsleitung:
-
Die Verfügbarkeit des Systems Blackboard ist über den Herbst
2004 hinaus für weitere 2 Jahre finanziell sicherzustellen.
-
Die Systeme Ilias in Kombination mit stud-IP werden für einen Zeitraum
von 2 Jahren gewährleistet.
-
Die Verantwortlichkeit für die Administration beider Systeme liegt
bei der ZEIK.
Die IVK wird beauftragt, die Entscheidung in der Universität zu
kommunizieren sowie interessierte Nutzer durch geeignete Publikations-
und Schulungsmaßnahmen zu unterstützen.
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- Digitale Aus- und Weiterbildungsangebote an Universitäten in Jena, Ilmenau und Weimar - Bildungsportal Thüringen - 2002
- Empfehlungen zur Auswahl einer eLearning-Plattform für Brandenburg - 2002
- Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik
- Evaluation of Learning Management Systems - edutech - *2003
- Evaluated products: Blackboard, Clix, Globalteach, IBT Server, Qualilearning, WebCT
- Evaluation of the Effectiveness of a WebCT Course - H.A. Traver/M.V. Champagne - 1999
- The purpose of this research was to examine student reactions and learning in a molecular biochemistry undergraduate course taught using collaboration and internet technology.
- Interner Vergleich von Lernplattformen - A. Schwill - 2003
- Learning Management Systeme (LMS) und Learning Content Management Systeme (LCMS) - Fokus deutscher Markt - A. Hettrich, N. Koroleva - *2003
- Resümee Vergleich von Blackboard, WebCT und Learningspace - 2003
- Vergleich BB, WebCT, Lotus LeraningSpace von edutech
- Resümee Vergleich von Blackboard, WebCT und Learningspace - edutech - 2003
- (pdf,zip)
- Vergleich von E-Leaning-Systemen - Didaktik der Informatik, Uni Paderborn - *2003
- Vergleich von: BSCW, Hyperwave, Lotus Notes
- Vergleiche von E-Learning-Systemen - D. Titarev - *2003
- Überblick über Features von Web Course in a Box, WebCT, Bb Course Info, TopClass, Lotus Learning Space, SERF
- WebCT - Wesentliche Merkmale und Auswahlkriterien - A. Schwill - 2003
- Präsentation auf der IVK am 15.12.2003
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