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Zu Möglichkeiten der externen Unterstützung von Informatiklehrerinnen und -lehrern in der gymnasialen Oberstufe

Michael Fothe

Casio-Stiftungsprofessur
Fakultät für Mathematik und Informatik
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 2
07743 Jena
fothe AT minet.uni-jena.de


Heidrun Ludwig

UPGradE: Graduiertenschule Unterrichtsprozesse
Universität Koblenz-Landau
Marktstr. 40
76829 Landau
ludwigh AT uni-landau.de

Zusammenfassung

In diesem Aufsatz wird über Möglichkeiten der externen Unterstützung von Informatiklehrern in der gymnasialen Oberstufe am Beispiel von Rekursion und Iteration berichtet. Die explorative Studie liefert Hinweise darauf, dass extern bereitgestellte Tests sowie Schülerinterviews eine Chance haben, in der Schulpraxis gewinnbringend eingesetzt zu werden.

Abstract

This paper informs about opportunities of external support for IT-teachers within A-level-Education (age 17-18); exemplified by recursion and iteration. The results of this explorative study suggest that tests and students’ interviews that are provided by extern experts may posses the potential to improve teaching practice. 

1  Idee

Derzeit werden neue einheitliche Prüfungsanforderungen der Kultusministerkonferenz in der Abiturprüfung Informatik (EPA Informatik) umgesetzt (KMK, 2004; Fothe, 2005a). In manchen Bundesländern findet zusätzlich ein Wechsel vom dezentralen zum zentralen Informatik-Abitur statt. In diesem Aufsatz wird der Frage nachgegangen, wie die Tätigkeit von Informatiklehrern in dieser Situation unterstützt werden kann. Dazu wird das folgende Szenarium näher untersucht: Informatiklehrer unterrichten einen Themenbereich und möchten anschließend wissen, ob ihr Unterricht die notwendige inhaltliche Bandbreite hatte und ob er den EPA Informatik entsprach. Auch möchten sie nähere Informationen zum Lernstand und -verhalten ihrer Schüler erhalten. Sie laden dazu Testaufgaben aus dem Internet herunter, lassen ihre Schüler die Aufgaben bearbeiten, korrigieren deren Antworten, befragen zusätzlich einzelne Schüler zu ihren Antworten und ziehen Schlussfolgerungen für ihren Unterricht und dessen Fortentwicklung.

Ziel ist die Unterstützung von Lehrkräften und nicht eine von außen bewertete Kontrolle der Wirksamkeit pädagogischen Handelns. Es geht auch nicht um einen Vergleich mit anderen Klassen, Schulen, Bundesländern oder Staaten (vgl. z. B. PISA-Konsortium, 2004). Vielmehr soll auf der Grundlage der EPA Informatik ein relativ objektives Instrument bereitgestellt werden, das den Lehrkräften hilft, ihre Arbeit und ihre Schüler besser einzuschätzen. Lehrer verfügen zu ihrem eigenen Missbehagen häufig über kein Kriterium für die Beurteilung der Qualität ihrer Arbeit (Herrmann, 2002, S. 116). Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, ob das beschriebene Szenarium geeignet ist, dieses Defizit zu verringern.

Im Jahr 2004 wurde das Szenarium in einer ersten Phase entwickelt und an fünf Thüringer Gymnasien erprobt. Die Ergebnisse der ersten Phase ermutigten zur Fortführung der Arbeiten (Fothe, 2005b). Der praktischen Erprobung sollte im Jahr 2005 in einer zweiten Phase eine empirische Überprüfung der Eindrücke aus der Erprobungsphase folgen. Zur Teilnahme waren nun alle allgemeinbildenden Schulen mit gymnasialer Oberstufe im deutschsprachigen Raum eingeladen. Über das Vorhaben informierten die Fachzeitschrift LOG IN (Heft Nr. 133 (2005), S. 54) und mehrere Bildungsserver. Rund 10% der infrage kommenden Schulen aller deutschsprachigen Länder, Bundesländer und Kantone (Deutschland, Österreich, Schweiz) wurden zufällig ausgewählt und via E-Mail direkt angeschrieben.

Den beteiligten Informatiklehrern wurden auf einer Homepage ausführliche Informationen bereitgestellt (http://www.informatiktest.de). Die Testergebnisse der Schüler verblieben in der Schule und wurden von der Universität Jena bewusst nicht abgefragt, obwohl die Erfassung des Leistungsstands der Schüler zusätzliche Berechnungen und Interpretationen erlaubt hätte. Vielmehr dienten sie ausschließlich den Lehrkräften zur Informationsgewinnung über den Kenntnisstand ihrer Schüler. Wir konzentrierten uns darauf, ob die Informatiklehrer die Bereitstellung eines solchen allgemeinen, länderübergreifenden Tests als sinnvolles und hilfreiches Instrument zur Selbstevaluation ihres Unterrichts erachten. Sie wurden daher gebeten, die Wirksamkeit des Vorgehens einzuschätzen und dazu einen Online-Fragebogen auszufüllen.

Mit diesem Aufsatz wird die zweite Phase dokumentiert und anhand einer Begleitstudie untersucht. Um die positiven subjektiven Eindrücke der ersten Phase empirisch zu stützen oder zu widerlegen, werden die Einschätzungen der beteiligten Informatiklehrer statistisch ausgewertet, analysiert und interpretiert. Schlussfolgerungen für die weitere Arbeit schließen den Artikel ab. Die Studie soll nicht zuletzt auch einen Beitrag in der aktuellen Diskussion zur sinnvollen Arbeit mit Bildungsstandards liefern (Klieme, 2003). Dieser Aufsatz, der sich auf die Darstellung der fachdidaktischen Idee und der Untersuchungsergebnisse konzentriert, ist eine gekürzte Fassung eines Beitrags in der Fachzeitschrift LOG IN (Fothe et al., 2006). Der LOG IN-Beitrag enthält zusätzlich die Testaufgaben einschl. Musterlösungen und Erläuterungen sowie Informationen zur Homepage und zum Umfragesystem.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit bedienen wir uns in diesem Aufsatz der grammatikalisch männlichen Form. Gemeint sind selbstverständlich jeweils beide biologischen Geschlechter.

2  Kompetenzbeschreibung

In dem Test geht es um das Thema "Rekursion und Iteration". Als Grundlage für das Erstellen der Testaufgaben wurde die folgende Zusammenstellung von angestrebten Teilkompetenzen, über die die Schüler zu diesem Thema am Ende ihrer Schulzeit am Gymnasium verfügen sollen, erarbeitet:
(a) Erläutern der Grundlagen von Rekursion und Iteration (Vergleichen von Rekursion und Iteration, Äquivalenz von Rekursion und Iteration sowie Prinzip der Abarbeitung eines rekursiven Algorithmus auf einem iterativ arbeitenden Computer),
(b) Definieren von informatischen Begriffen auf rekursive Art,
(c) Sachgemäßes Verwenden der Syntaxdefinition einer Programmiersprache,
(d) Exemplarisches Analysieren und Erläutern von Computerprogrammen, denen rekursive oder iterative Algorithmen zugrunde liegen, und
(e) Exemplarisches Entwerfen und Implementieren von solchen Computerprogrammen.
Die Kompetenzbeschreibung bezieht sich auf die EPA Informatik, in denen es heißt: "Die Prüflinge können verschiedene Problemlösungsstrategien und Techniken wie Iteration, Rekursion und Klassenbildung einsetzen." (KMK, 2004).
Im Test wurden alle beschriebenen Teilkompetenzen mit folgender Ausnahme abgeprüft: Quelltexte von Programmen waren weder zu analysieren noch zu entwickeln.

3  Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Tests

Vor dem Bearbeiten der Testaufgaben sollten die Lehrkräfte ihren Erwartungshorizont für jede Aufgabe aufstellen, und zwar explizit auf ihren Kurs abgestimmt. Die von der Universität Jena bereitgestellten Musterlösungen und Erläuterungen zu den Aufgaben sollten den Lehrern dazu Anregungen geben. Maßgebend war jedoch der erteilte Unterricht. Angestrebt wurde, dass die Testaufgaben von allen Schülern des Kurses bearbeitet werden. Die Bearbeitungszeit für den Test betrug 45 Minuten. Computer waren als Hilfsmittel nicht zugelassen. Den Lehrern wurde freigestellt, im Bedarfsfall einzelne Aufgaben von der Bearbeitung auszuschließen. Diese Möglichkeit wurde nur selten und ausschließlich in Grundkursen genutzt. Die unterrichtenden Lehrer korrigierten jeweils die Antworten ihrer Schüler. Sie ermittelten für jede Aufgabe die Anzahl an Schülern, die die Aufgabe gelöst, teilweise gelöst bzw. nicht gelöst haben. Auch sollten sie für jede Aufgabe das Korrekturergebnis in Beziehung zum Erwartungshorizont setzen und ihr Augenmerk auf Auffälligkeiten wie z. B. typische Fehler richten. Schließlich wurden die Lehrkräfte aufgefordert, Schlussfolgerungen zum Lernstand ihrer Schüler sowie zu ihrem Unterricht und dessen Fortentwicklung zu ziehen. Dabei sollten auch die o. g. Festlegungen der EPA Informatik berücksichtigt werden. Die Schüler erfuhren im Vorfeld, dass ein unbenoteter Test zum Thema durchgeführt wird. Eine besondere Vorbereitung auf den Test war weder nötig noch erwünscht. Die Schülerantworten sollten nicht benotet werden, da leistungsbeeinträchtigende Einflüsse wie beispielsweise Aufregung und Versagensangst vermieden werden sollten.

4  Durchführung der Interviews

Unmittelbar nach der Bearbeitung des Tests sollten einzelne Schüler von ihrem Lehrer zu ihren Antworten befragt werden, um mehr über das konkrete Herangehen der Schüler an die Bearbeitung der Aufgaben und über ihre kognitiven Strategien und Hilfsmittel zu erfahren (z. B. Visualisierungen, Nutzen von Eselsbrücken). Die Lehrkräfte sollten typische Fehlerquellen und Denkfehler erkennen, eventuelle Über- oder Unterforderung ihrer Schüler ausmachen und Rückschlüsse auf die didaktisch-methodische Herangehensweise und den Einsatz geeigneter Materialien im eigenen Unterricht ziehen. Es sollte mit ein oder drei Schülern gesprochen werden. Wurde nur ein Schüler interviewt, sollte dieser bisher durchschnittliche Leistungen gezeigt haben. Falls drei Schüler interviewt wurden, sollte jeweils einer von ihnen leistungsstark, durchschnittlich und leistungsschwach sein.

Ein Interview sollte aus schulorganisatorischen Gründen maximal ca. 10 Minuten dauern. Den Lehrkräften wurden einige Fragen zur Verfügung gestellt, an denen sie sich in ihren Interviews ausrichten sollten:

Online-Fragebogen

Ziel der empirischen Untersuchung war festzustellen, ob und hinsichtlich welcher Kriterien die Bereitstellung von allgemeinen, länderübergreifenden Tests und Interviewleitfäden von den Lehrern als sinnvoll und hilfreich erlebt wird. Vom Ergebnis dieser Befragung hing ab, ob und ggf. wie das Szenarium weiter verfolgt würde. Der eingesetzte Online-Fragebogen setzte sich aus fünf Teilen zusammen. Im ersten Teil wurden Fragen zu Geschlecht, Alter und Studienabschluss gestellt. Ferner war von Interesse, über wie viel Berufserfahrung - allgemein und im Fach Informatik - die Lehrkräfte verfügen. Dies diente vor allem zur Beschreibung der Stichprobe. Mit dem zweiten und dritten Teil sollte ein Bezugsrahmen für die Fragen nach den Einschätzungen geschaffen werden. Thematisiert wurden Art und Anzahl der einbezogenen Kurse, die Anzahl an Schülern, die den Test bearbeitet hatten und die nach dem Test befragt wurden, die Klassenstufe, in der im Regelfall die allgemeine Hochschulreife erreicht werden würde, und welche Aufgaben ggf. von der Bearbeitung ausgeschlossen wurden. Das Kernstück der Befragung waren der vierte und fünfte Teil mit Fragen, die sich inhaltlich mit folgenden Themen und daraus abgeleiteten vier Faktoren beschäftigten: Einblick in die Arbeitsweise der Schüler; Auswirkungen auf den Unterricht; Verfahren und Handreichungen sowie Kosten-Nutzen-Rechnung. Zu 15 Aussagen, die in eine zufällige Reihenfolge gebracht worden waren, sollten die Lehrer auf einer fünfstufigen Skala Stellung nehmen. Dabei drückte ein niedriger Skalenwert ein geringes Ausmaß an Zustimmung aus. Je höher der Wert, desto größer die Zustimmung. Die Aussagen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
 
Frage
Aussage
1
Der Test regt an, die Ziele und Inhalte des Unterrichts zu überdenken.
2
Der Test war sinnvoll, auch wenn er nicht speziell auf den in meinem Land gültigen Informatiklehrplan zugeschnitten war.
3
Der Test gab mir Hinweise zum im Unterricht anzustrebenden Anforderungsniveau.
4
Ich konnte aus den Testergebnissen neue Erkenntnisse über den Lernstand in den beteiligten Kursen ziehen.
5
Die Erkenntnisse, die ich bei der Auswertung des Tests gewonnen habe, werden Auswirkungen auf meine Unterrichtspraxis haben.
6
Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen (Schreiben und Auswerten des Tests auf der einen Seite - gewonnene Erkenntnisse auf der anderen Seite) betrachte ich als angemessen.
7
Es ist für einen effizienten Einsatz der Tests hilfreich, dass die Lehrkraft den Erwartungshorizont für jede Testaufgabe aufschreibt, bevor die Schüler den Test bearbeiten.
8
Ich würde in meinem Unterricht gern auch Tests für andere Themenbereiche einsetzen.
9
Mit Hilfe solcher Tests kann ich Erkenntnisse über den Erfolg meiner Arbeit gewinnen.
10
Ich konnte aus den Interviews wichtige Informationen zur Herangehensweise der Schüler an die Bearbeitung der Aufgaben gewinnen.
11
Ich konnte aus den Interviews wichtige Informationen zu den Ursachen von Fehlern gewinnen.
12
Ich betrachte es als sinnvoll, einzelne Schüler nach der Bearbeitung des Tests zu ihren Antworten zu befragen.
13
Durch die Interviews habe ich mehr über die Gedankengänge meiner Schüler beim Lösen von Aufgaben erfahren.
14
Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen bei den Interviews betrachte ich als angemessen.
15
Die erhaltenen Hinweise zur Durchführung und Auswertung der Interviews waren für mich hilfreich.

Charakterisierung der Stichprobe

Die Gründe für die Teilnahme bzw. die Nichtteilnahme an der zweiten Phase sind nicht bekannt. Von den 115 Informatiklehrern, die im Frühjahr/Sommer 2005 von den eingeladenen Schulen als interessiert gemeldet wurden, bearbeiteten 57 (49,6%) schließlich den Online-Fragebogen. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf diese Lehrer. An der Untersuchung beteiligten sich 40 Lehrer und 17 Lehrerinnen. Der Großteil der Lehrkräfte verfügte über eine langjährige Erfahrung im Fach Informatik. Ein Drittel der Lehrkräfte unserer Stichprobe unterrichtete diese Fach schon seit über 15 Jahren, 30% von 11 bis 15 Jahre, ein Viertel verfügte über eine 6-10-jährige Erfahrung in diesem Fach, weniger als 6 Jahre nur etwa 10%. Von den 57 Teilnehmern besitzen 33 einen Studienabschluss in Informatik. Über die Qualifizierung der anderen Lehrkräfte ist nichts Näheres bekannt.

Man kann annehmen, dass an dieser Untersuchung besonders engagierte und interessierte Lehrer teilgenommen haben, denn die Beteiligung brachte zusätzliche Arbeitsbelastung mit sich. Allerdings sind in jedem Kollegium mehr und weniger stark engagierte Lehrer zu finden. Der Blick auf Erfahrungs- wie Altersstruktur der Teilnehmer zeigt eine heterogene und wohl der üblichen Struktur in Kollegien entsprechende Verteilung. Wenngleich es sich in der vorliegenden Untersuchung nicht um eine Zufallsstichprobe handelte, so sprechen die Sozialdaten jedenfalls nicht gegen die Übertragbarkeit der Ergebnisse zumindest auf den engagierten und diesen Innovationen aufgeschlossenen Teil der Lehrerschaft.

Bei der Auswertung wurden einschlägige Standardverfahren eingesetzt. In der Auswertung (Kreuztabellierung Test/Interview) zeigte sich, dass keine pauschale Beurteilung des Gesamtverfahrens im Sinne "alles positiv" oder "alles negativ" erfolgte. Die Items wurden differenziert beantwortet, was dafür spricht, dass die Beteiligten den Online-Fragebogen sorgfältig bearbeitet haben.

31 Teilnehmer kamen aus den alten Bundesländern, 26 aus den neuen. Thüringer Lehrer stellten in der vorliegenden Untersuchung mit 18 Teilnehmern die größte Population dar. Die Antworten der Thüringer Stichprobe weisen jedoch nicht eindeutig in eine Richtung. Sie stellen sich ähnlich heterogen wie die gesamte Stichprobe dar. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Thüringer keine systematische Verzerrung der Ergebnisse verursachen.

Ergebnisse und Diskussion

In den nachfolgenden Diagrammen wird die folgende Zuordnung verwendet:
A: Ich stimme überhaupt nicht zu ( - - )
B: Ich stimme nicht zu ( - )
C: unentschlossen ( 0 )
D: Ich stimme etwas zu (+)
E: Ich stimme voll zu (++)
Bei der Rezeption der Prozentangaben muss berücksichtigt werden, dass bei kleinen Gruppen unter Umständen mehrere Prozentpunkte für eine einzelne Person stehen.
Die folgenden Auswertungen besitzen exemplarischen Charakter.

Einblick in die Arbeitsweise der Schüler

Dieser Faktor richtet sein Augenmerk auf die Schüler. Es geht vor allem darum, ob das Vorgehen - Bearbeiten von Testaufgaben und Schülerinterviews - dazu geeignet ist, ein besseres Verständnis für die kognitiven Strategien der Schüler zu entwickeln und typischen Fehlerquellen auf die Spur zu kommen.

Frage 4: Ich konnte aus den Testergebnissen neue Erkenntnisse über den Lernstand in den beteiligten Kursen ziehen.

Der Großteil der Lehrkräfte (87%) gibt an, aus den Testergebnissen ihrer Schüler (zumindest einige) neue Erkenntnisse zu deren Lernstand gezogen zu haben (Frage 4). Diese Zustimmung kann sicher als ein deutliches Indiz für die Nützlichkeit des Verfahrens gewertet werden.

Frage 10: Ich konnte aus den Interviews wichtige Informationen zur Herangehensweise der Schüler an die Bearbeitung der Aufgaben gewinnen.

Auch die Interviews werden als wichtige Informationsquelle angesehen. Besonders die Zustimmung zur Frage 10 macht dies deutlich: 78% der Lehrkräfte, von denen die Frage beantwortet wurde, stimmen der Aussage (sehr) zu. Signifikante Unterschiede im "Lerngewinn" mithilfe der Interviews bei den Lehrern von Leistungs- und Grundkursen, beim Geschlecht der Lehrkräfte und bei den verschiedenen Altersgruppen waren nicht feststellbar, können also als mögliche systematische Einflussfaktoren ausgeschlossen werden.

Auswirkungen auf den Unterricht

Es geht darum, ob die Lehrer mittels der bereitgestellten Materialien und Anregungen Erkenntnisse gewinnen konnten, die Einfluss auf ihre weitere Unterrichtspraxis haben werden.

Frage 5: Die Erkenntnisse, die ich bei der Auswertung des Tests gewonnen habe, werden Auswirkungen auf meine Unterrichtspraxis haben.

Die meisten Befragten geben an, dass die Erkenntnisse, die sie bei der Auswertung des Tests gewonnen haben, Auswirkungen auf ihre Unterrichtspraxis haben werden (Frage 5). Auch hier können systematische Einflüsse des Geschlechts, des Alters und der Kursart ausgeschlossen werden. Jedoch unterrichten alle, die aussagen, dass es keine Auswirkung auf den Unterricht geben wird, Leistungskurse. Ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang besteht zwischen den Erkenntnissen, die über die Schüler gewonnen werden konnten, und den Auswirkungen auf den Unterricht, d. h. Personen, die äußern, viele neue Erkenntnisse über Schüler gewonnen zu haben, äußern ebenfalls, dass dies Auswirkungen auf ihren Unterricht haben wird (bei einer Korrelation r=.33 und einer Irrtumswahrscheinlichkeit *p<.05).

Signifikante bzw. hoch signifikante Zusammenhänge bestehen zwischen Erkenntnissen über den Erfolg der eigenen Arbeit als Lehrer und Erkenntnissen aus den Interviews. Dies betrifft die folgenden drei Items:

Dies deutet darauf hin, dass gerade durch die Interviews Erkenntnisse gewonnen werden, die als wichtig angesehen und die Auswirkungen auf den weiteren Unterricht haben werden. Wir sind der Auffassung, dass hier Erkenntnisse gewonnen wurden, die im "normalen" Unterricht nicht zutage getreten wären.

Verfahren und Handreichungen

Hier geht es um das Vorgehen an sich und um die Zufriedenheit mit den Materialien, die den Lehrern an die Hand gegeben wurden.

Frage 1: Der Test regt an, die Ziele und Inhalte des Unterrichts zu überdenken.

Vier von fünf Teilnehmern stimmen der Aussage von Frage 1 zumindest etwas zu. Mit den bereitgestellten Materialien und Anleitungen waren die beteiligten Lehrkräfte bis auf wenige Ausnahmen (sehr) zufrieden. Ein statistisch hoch signifikanter Zusammenhang besteht zwischen der positiven Beantwortung der Frage nach der Zufriedenheit mit den zur Verfügung gestellten Materialien und Anleitungen und dem geäußerten Wunsch, weitere Tests im Unterricht einzusetzen (r=.34, **p<.01). Zusammenhänge zwischen der Zufriedenheit einerseits und dem Geschlecht bzw. alte/neue Bundesländer andererseits wurden nicht festgestellt. Diese Variablen können als Einflussfaktoren also ausgeschlossen werden. Die 41-50-Jährigen äußern sich am positivsten zum Material.

80% der Teilnehmer würden es sehr begrüßen, wenn sie Tests auch für andere Themenbereiche des Informatikunterrichts einsetzen könnten. Das mag auch daran liegen, dass extern bereitgestellte Tests als eine Möglichkeit angesehen werden, ein relativ objektives Feedback zum Erfolg des Unterrichts zu erhalten. 95% der Lehrer bestätigen die Aussage "Mit Hilfe solcher Tests kann ich Erkenntnisse über den Erfolg meiner Arbeit gewinnen." Ein sehr hoher Anteil der Lehrkräfte sieht in dem Test also ein gutes oder brauchbares Mittel zur Selbstevaluation.

78% der Lehrer sehen es als (sehr) wichtig an, den Erwartungshorizont für jede Testaufgabe und jeden Kurs auf der Grundlage der erhaltenen Musterlösungen und Erläuterungen zu formulieren. Auch bei künftigen Tests sollte den Lehrern daher ein Auswertungsbogen übergeben werden, in den sie den Erwartungshorizont für jede Testaufgabe eintragen, bevor die Schüler den Test bearbeiten. Der Bezugspunkt ist also ganz klar der eigene Unterricht, der jedoch auf entsprechenden Vorgaben beruht.

Kosten-Nutzen-Rechnung

Es wird erfragt, ob die "Kosten" - also der Aufwand, den die Durchführung des Tests (einschließlich Vor- und Nachbereitung) sowie die Interviews mit sich bringen - in akzeptabler Relation zum "Nutzen" - also dem Erkenntnisgewinn zu Lernstand und -verhalten der Schüler sowie weitergehenden Einsichten, wie der eigene Unterricht verändert werden kann - stehen.

Das Bild bezüglich der wahrgenommenen Kosten-Nutzen-Passung zeigt sich uneinheitlich: Es werden sowohl Zustimmung als auch Ablehnung geäußert. Die Einzelitem-Analyse ergibt, dass bezüglich der Verfahren Interview und Test unterschiedliche Einstellungen vorherrschen.

Frage 6: Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen (Schreiben und Auswerten des Tests auf der einen Seite - gewonnene Erkenntnisse auf der anderen Seite) betrachte ich als angemessen.

Nur 4% der Lehrer stehen dem Test (sehr) kritisch gegenüber und 15% äußern sich unentschieden (Frage 6). Mehr als drei Viertel finden, dass Kosten und Nutzen des Verfahrens sich (sehr) positiv gegenüberstehen. Die Gesamtbilanz ergibt eine deutlich höhere Zustimmung als Ablehnung.

Frage 14: Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen bei den Interviews betrachte ich als angemessen.

Bezüglich der Interviews ist eine größere Polarisierung festzustellen: Rund ein Viertel hält die Kosten-Nutzen-Relation für unausgeglichen, während zwei Drittel der Teilnehmer diese Relation für angemessen hält (Frage 14). Insgesamt erfährt dieser Teil mehr Zustimmung als Ablehnung. Signifikante Geschlechterunterschiede sind nicht feststellbar, wenngleich Frauen den Interviews tendenziell positiver gegenüberstehen. Es gibt keine Unterschiede hinsichtlich alte/neue Bundesländer und in den Altersgruppen. Lehrkräfte, die in Leistungskursen unterrichten, äußern sich deutlich positiver.

Die Kreuztabellierung zeigt, dass die Einstellung gegenüber den Interviews nicht mit der Einstellung gegenüber den Tests übereinstimmt: Ein Drittel der Befragten ist beiden Verfahren zugewandt und ein kleiner Teil äußert sich beiden Verfahren gegenüber kritisch. Jedoch lässt sich kein eindeutiger Trend ablesen. Bei Hinzuziehung des Faktors Einblick in die Arbeitsweise der Schüler ergeben sich eindeutigere Ergebnisse. Statistisch hoch signifikante Zusammenhänge lassen sich dann zwischen der Beantwortung der Frage nach der Kosten-Nutzen-Rechnung bei den Interviews und des Gewinns von Einsichten in die Lösungsstrategien von Schülern feststellen (r=.44, **p<.01). Die Zustimmung zur Aussage "Durch die Interviews habe ich mehr über die Gedankengänge meiner Schüler beim Lösen von Aufgaben erfahren." geht also mit der positiven Einschätzung der Kosten-Nutzen-Frage einher. Die Kosten-Nutzen-Beurteilung ist in hohem Maß davon beeinflusst, wie gewinnbringend die Interviews erlebt wurden. Für die Tests zeichnen sich ähnliche Ergebnisse ab, wenngleich nicht mit einem derart hohen Wert.

Ein hoch signifikanter Zusammenhang besteht zwischen der positiven Kosten-Nutzen-Rechnung sowohl bei Tests als auch bei Interviews und dem Wunsch nach weiteren Tests (r=.35, **p<.01). Dies wird wie folgt interpretiert: Diejenigen Lehrkräfte, die das gesamte Verfahren mit Tests und Interviews gewissenhaft durchlaufen haben, gewannen neue Einsichten in die kognitive Struktur ihrer Schüler. Dies führt zu größerer Zufriedenheit mit dem Gesamtverfahren.

Weiteres Ergebnis

Frage 2: Der Test war sinnvoll, auch wenn er nicht speziell auf den in meinem Land gültigen Informatiklehrplan zugeschnitten war.

Insgesamt 90% der Teilnehmer sind von der Brauchbarkeit des Tests (sehr) überzeugt, auch wenn er nicht auf den im eigenen Land geltenden Informatiklehrplan zugeschnitten ist (Frage 2). Gestützt wird diese positive Einschätzung einer übergeordneten, mehr am Thema als am Lehrplan orientierten Aufgabenkultur durch die sehr hohe Zustimmung der Lehrer zu der Aussage, dass der Test Aufschluss gibt über das anzustrebende Anforderungsniveau. Eindeutig positiv wird die Aussage beantwortet, dass auch für andere Themen extern bereitgestellte Tests gewünscht werden. Möglicherweise wird hier das Bedürfnis von Lehrkräften deutlich, über ein Mittel zur Selbstevaluation hinsichtlich der Wirksamkeit ihres Unterrichts zu verfügen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Auswertung lieferte Hinweise darauf, dass extern bereitgestellte Tests nicht nur "im Prinzip" eine gute Sache sind, sondern dass sie eine begründete Chance haben, in der Schulpraxis auch wirklich gewinnbringend eingesetzt zu werden. Es konnte nachgewiesen werden, dass Test und Interviews als Bestandteile des Verfahrens einzeln, aber auch in der Kombination wirkungsvoll sind. Dies belegen auch die Ausführungen zu Kosten und Nutzen und die engen Zusammenhänge mit den Auswirkungen auf den eigenen Unterricht. Informatiklehrer können einen Blick nach außen - darunter sollen die verbindlichen Vorgaben für den Informatikunterricht verstanden werden - und gleichzeitig einen Blick nach innen - also auf die Wirksamkeit des eigenen Unterrichts und das Lernen der Schüler - werfen. Testaufgaben werden auch für andere Themenbereiche des Informatikunterrichts in der gymnasialen Oberstufe gewünscht.Weitergehende Forschung in einer dritten Phase ist denkbar. In einer Längsschnittstudie könnte ermittelt werden, ob und in welcher Weise regelmäßig extern bereitgestellte Tests den Unterricht und das Lehrerhandeln beeinflussen. Von Interesse ist sicher auch, wie Informatiklehrer mit den Erkenntnissen, die sie über den Lernstand und das Lernverhalten ihrer Schüler gewinnen, konkret umgehen. Haben die Erkenntnisse Auswirkungen auf das konkrete Verhalten der Lehrkraft im Unterricht, auf die Didaktik, auf die Wahl der Unterrichtsmaterialien? Weitere Untersuchungen zur Wirkung der Interviews wären sinnvoll. Die geschilderte Polarisierung zeigt, dass manche Lehrkräfte großen Nutzen aus den Interviews ziehen, andere nicht. Woran liegt das? Sollten Interviews regelmäßig im Schulalltag eingesetzt werden? Eine Weiterentwicklung der Handreichungen zu den Interviews ist in diesem Zusammenhang sicher hilfreich. Und nicht zuletzt könnte den Fragen nachgegangen werden, wie Aufgaben aussehen müssen, damit sie für den in diesem Beitrag geschilderten Zweck besonders geeignet sind, und welche zusätzlichen Erkenntnisse bei Vorliegen der Leistungsdaten gewonnen werden könnten.

Literaturverzeichnis

Fothe, M.: EPA Informatik. In: LOG IN Heft 135 (2005a), S. 46-49.

Fothe, M.: Rekursion und Iteration: Voruntersuchung zu einem Test. In: Friedrich, S. (Hrsg.): Unterrichtskonzepte für informatische Bildung. 11. GI-Fachtagung Informatik und Schule INFOS 2005. Lecture Notes in Informatics, Bonn 2005b, S. 207-218.

Fothe, M.; Ludwig, H.; Küspert, K.; Wenzel, M.: Unterrichtsreflexion mit ungewöhnlichen Mitteln. Eine Studie zu Möglichkeiten der externen Unterstützung von Informatiklehrerinnen und -lehrern am Beispiel "Rekursion und Iteration". In: LOG IN Heft 141/142 (2006), S. 52-63.

Herrmann, U.: Wie lernen Lehrer ihren Beruf? Empirische Befunde und praktische Vorschläge. Beltz Verlag Weinheim und Basel 2002.

Klieme, E. et al.: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise. Bildungsreform Band 1. BMBF, Berlin 2003.

KMK - Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Informatik. Beschluss vom 1.12.1989 i. d. F. vom 5.2.2004. Luchterhand München, Neuwied 2004.

PISA-Konsortium Deutschland (Hrsg.): PISA 2003. Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland - Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs. Waxmann Münster, New York, München, Berlin 2004.

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