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Eckart Modrow
Max-Planck-Gymnasium
Theaterplatz 10
37073 Göttingen
emodrow@astro.physik.uni-goettingen.de
Das folgende Beispiel soll zeigen, wie schon sehr früh in der Mittelstufe quasi nebenbei Begriffe eingeführt werden, die in der theoretischen Informatik eine Rolle spielen. Beachten wir das Vertikalkriterium, dann müssen fundamentale Ideen auf jedem Niveau vermittelt werden können - also auch schon ganz zu Anfang des Informatikunterrichts.
Geplant wird eine Phase von ca. drei Monaten,
in der parallel im arbeitsteiligen Gruppenunterricht pro Gruppe einerseits
eine Ampelsteuerung, andererseits ein "Straßenbahnmodell" aus zwei
LEGO-Robotern gebaut werden soll, deren Bewegungen von den Ampeln gesteuert
werden. Zur Steuerung der Ampeln wird ein handelsübliches Interface
(hier: USB-Interface Velleman VM110) benutzt, das über eine Delphi-Unit
sehr einfach angesprochen werden kann. Zur Steuerung der Roboter wird die
Mindstorms-Software Version 2.0 benutzt. (Die Nutzung von zwei Programmentwicklungssystemen
dient nur der Demonstration der Möglichkeiten. Alternativ kann auch
nur eins der beiden Systeme benutzt werden, weil die Roboter unter Delphi
gesteuert werden und die Roboter "Ampeln" steuern können.) Gearbeitet
wird in Gruppen von sechs bis acht Schülerinnen und Schülern,
von denen jeweils die Hälfte Ampeln bauen und deren Steuerung entwickeln
sowie die anderen die Roboter und deren Führungsschienen bauen sowie
die Geräte programmieren. Wir haben also ca. vier "Baugruppen".
Der Zeitbedarf für die Einheit hängt sehr stark davon ab,
ob die Schülerinnen und Schüler die "Ampeln" und die "Straßenbahnschienen"
wirklich selbst bauen sollen oder nicht. In Zeiten zunehmender Virtualität
und fehlendem Werkunterricht halte ich es mehr denn je für ein wichtiges
Ziel allgemein bildender Schulen, das Lernen nicht nur "mit dem Kopf",
sondern auch "mit Herz und Hand" zu vermitteln. Wenn also nicht nur verschiedenfarbige
Lämpchen im richtigen Rhythmus als "Ampeln" leuchten, sondern sich
diese Lampen in ampelähnlichen Bauteilen befinden sollen, die dann
auch an einer "Kreuzung" stehen, dann benötigen wir für den Bau
dieser Teile z. B. aus Holz und das Zusammenlöten der Leitungen einige
Zeit. Ich meine, dass wir uns diese Zeit sehr bewusst freihalten und sie
als Freiraum auch verteidigen sollten. In einem Fach noch ohne Traditionen
und Richtlinien in der Mittelstufe sollte das möglich sein.
Um den üblichen Einwänden entgegen zu wirken, die ein Programmentwicklungssystem wie Delphi für zu komplex für den Anfangsunterricht halten, möchte ich gleich darauf hinweisen, dass z. B. die Erstellung von Präsentationen (z. B. mit MS-Powerpoint oder OpenOffice) mehr oder weniger Standard in dieser Altersstufe ist - und deren Oberfläche ist ähnlich komplex wie z. B. die Delphi-IDE. Wenn also nur der Einsatz einfacher Software-Werkeuge möglich wäre, dann gelte das "Einfachheits-Argument" für alle - und für Präsentationssysteme gilt es offensichtlich nicht, denn die werden sehr erfolgreich benutzt. Ebenso ist das Argument, dass "theoretische" Inhalte der Oberstufe oder sogar nur der Universität vorbehalten sein müssten, offensichtlich nicht stichhaltig. Einerseits widerspricht es dem Vertikalkriterium, anderseits bedeutet ein propädeutisches Vorgehen natürlich nicht, dass die Themen erschöpfend behandelt werden. Weiterhin gibt es genügend Beispiele (z.B. Hubwiesers Didaktik) und Werkzeuge (z.B. die "Turing-Kara" der ETH Zürich), die für diese Altersstufe vorgesehen sind.
In der Mittelstufe hat der Informatikunterricht ähnlich wie in den Naturwissenschaften u. a. die Aufgabe, Erfahrungen zu ordnen und ggf. zu verschaffen, anhand derer eine informatische Begriffsbildung erfolgen kann, die weitgehend der Vermittlung fundamentaler Ideen entspricht. Die entwickelten Begriffe sind in einem geeigneten Kontext einzuführen und anzuwenden, sodass im weiterführenden Unterricht auf sie aufgebaut werden kann. Unter dieser Voraussetzung stehen dann z. B. in der Sekundarstufe II genügend Erfahrungen und Unterrichtszeit zur Verfügung, um z. B. theoretische Inhalte angemessen vertieft zu unterrichten. Wenn es also möglich ist, dann sollten schon sehr früh Begriffe wie z. B. Zustand, Zustandswechsel, Automat, … benutzt werden - auch wenn es nicht unbedingt nötig ist. Solange es nicht stört, kann damit weiterführender Unterricht effizient vorbereitet werden.
In diesem Fall sollen die folgenden Begriffe eingeführt werden:
In einer ersten Phase sollen gemeinsam das Problem analysiert und die
zu lösenden Probleme ermittelt werden.
(verplant wurden Doppelstunden)
Stunde | Inhalt | Kommentar |
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Einführung, Planung | Problem besprechen, ggf. Bilder oder ein Video von früheren Projekten zeigen, verfügbare Hard- und Software kurz vorführen, Gruppenbildung, Teilaufgaben ermitteln und verteilen, … |
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reale Ampelschaltung ermitteln | Messverfahren festlegen, eine Kreuzung besuchen, dort Ampelphasen messen, Zeiten notieren, … Material: Stoppuhren oder Funkuhren |
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Festlegen des Schaltverhaltens | Zeitliniendiagramme zeichnen. Welche Ampel schaltet wann? Wann fahren die Bahnen, wie erhalten sie ihre Signale, wann halten sie an? |
Schon hier sollten die Begriffe der Zustände von Ampeln
und Bahnen sowie der Ereignisse, die Aktionen auslösen, benutzt
werden. Danach teilen sich die Arbeitsgruppen so auf, dass eine Teilgruppe
jeweils die Ampelsteuerung
und die Ampeln, die andere die Roboter,
deren Führung und Steuerung entwickelt.
In der Schlussphase müssen die beiden Gruppen ihre Arbeitsergebnisse
zusammenführen und das Ergebnis testen. (verplant wurden Doppelstunden)
Stunde | Inhalt | Kommentar |
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Kreuzung aufbauen | Ampeln und Signallampen verbinden, Kreuzung aufbauen, Ergebnisse testen |
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Dokumentation | Fotos machen und einen Bericht für das Jahrbuch schreiben, ein Video drehen |
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Aufräumen |
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