Das Schulbuch im Informatikunterricht
Didaktik der Informatik - Uni Potsdam - 15.12.2001
Das Schulbuch stellt in den meisten Fächern traditionell das
wichtigste für den Schüler bestimmte Medium dar, da es ihm auch
zu Hause zur Verfügung steht. Davon abgesehen, kann auf das Anfertigen
grosser Mengen von Kopien, manches zeitraubende Diktat und umfangreiche
Tafelanschriebe verzichtet werden, sofern zuvor das Analysieren von Texten
planmäßig eingeübt wurde.
Die wesentlichen Aufgaben des Mediums Schulbuch sind nach Peterßen*:
-
Als Lehrbuch unterrichtet es (ausführlich) über den zu behandelnden
Stoff
-
Als Arbeitsbuch stellt es Probleme und Aufgaben, enthält Anleitungen,
Hilfen und Lesetexte
-
Als Materialsammlung liefert es Bilder, Diagramme, Originaltexte, historische
Quellen ...
-
Als Übungsbuch dient es der Sicherung des Gelernten
-
Als Merkheft fasst es den im Unterricht behandelten Stoff in knapper Form
zusammen
-
Als Selbstbildungsmittel erlaubt es die Weiterarbeit über den Unterricht
hinaus
-
Als Nachschlagewerk bietet es rasche Auskunft über den gesamten Unterrichtsstoff
und darüber hinaus.
Auch in informatikfremden Fächern können diese Aufgaben meist
nicht vollständig von einem Schulbuch erfüllt werden, so dass
mit mehreren Büchern und Zusatzheften gearbeitet werden muss.
Ein Schulbuch hat sowohl fachspezifischen, als auch didaktischen und
methodischen Ansprüchen zu genügen. Bewertungskriterien lassen
sich aus der entsprechenden Literatur ableiten. Zur Konzeption schülerorientierter
Lehr- und Arbeitsbücher lassen sich prinzipiell die folgenden Kriterien
nennen:
Übereinstimmung mit den Rahmenlehrplänen.
Schulbücher sind in traditionellen Fächern im Allgemeinen auf
die inhaltlichen Vorgaben von Lehrplänen abgestimmt. Für den
Informatikunterricht ist jedoch eine gründlichere Prüfung durch
die Lehrkraft bzw. die Fachkonferenz notwendig, da bisher nur wenige Informatikschulbücher
existieren, die sich an bestimmten länderspezifischen Rahmenlehrplänen
orientieren. Insbesondere ist zu klären, ob das Schulbuch alle intendierten
Lerninhalte und Unterrichtsgegenstände abdeckt, die entsprechend den
Rahmenlehrplänen behandelt werden sollen, und welche Informationsträger
zusätzlich verwendet werden müssen. Sowohl Rahmenlehrpläne
als auch Schulbücher sollten zusätzlich zu den verbindlichen
auch optionale Inhalte aufweisen und offen für nicht explizit genannte
Inhalte sein.
Fachlich-sachliche Richtigkeit.
Schulbücher werden zwangsläufig von der entsprechenden Fachsystematik
beeinflusst, wobei der Lehrstoff bezogen auf die Schulart bzw. Schulstufe
"elementarisiert" wird. Diese didaktische Reduktion bedeutet, dass Aussagen
über informatische Zusammenhänge, auf das Niveau der Leser zugeschnitten
werden, wobei sie sachlich korrekt bleiben müssen. Elementarisierung
macht Problemlösen möglich.
Kurz gefasste und prägnant formulierte Definitionen und Erläuterungen
klären zwar eindeutig den Sachverhalt, bergen jedoch die Gefahr, dass
der Schüler nur eine reproduzierende Rolle übernimmt.
Adressatenangemessenheit.
Schulbuchtexte sollten sich durch eine Gestaltung auszeichnen, die geeignet
ist, die Lernenden für das betreffende Fach zu motivieren. Veranschaulichungen
und Anschaulichkeit sollten nicht aufgrund einer überspitzten sprachlichen
Korrektheit des Ausdrucks verhindert werden, da ansonsten Schüler
zu einer aufgeblasen, pseudowissenschaftlichen Ausdrucksweise neigen können
und vor allem bei den älteren Schülern rasch das Interesse durch
Lawinen von Sätzen und Definitionen anstelle von problemorientierten
Fragestellungen vernichtet wird. Die Sprache des Schulbuches sollte sich
daher an der Erfahrungswelt und dem Auffassungsvermögen der Schüler
ausrichten. Erweckt das betreffende Schulbuch Aufmerksamkeit? Gilt es als
modern, aktiv, interessant? Wie abwechslungsreich ist das Buch gestaltet?
Didaktisches Konzept.
Schulbücher sollten sich nicht nur an fachdidaktischen Konzepten orientieren,
sondern auch allgemeindidaktischen Gesichtspunkten Rechnung tragen:
-
Berücksichtigung wirtschaflicher und gesellschaftspolitischer
Probleme
-
spiralcurriculare Hinführung zu informatischen Grundbegriffen, d.h.
eine stufenweise Präzisierung von Grundbegriffen im Sinne einer weitergehenden
Abstrahierung und Systematisierung des Lernstoffs (z.B. Ausschärfung
des Begriffs "Rekursion")
-
Querverbindungen zu anderen Disziplinen und Bezug zum Alltag (Förderung
von Problembewusstsein)
-
Unterstützung verschiedener Aufgaben eines Schulbuchs (s.o.)
-
Lassen sich intendierte Lernziele (vgl. Rahmenlehrplan) mit dem Schulbuch
erreichen?
Ein gutes Schulbuch wird dem Leser vielfältige Tätigkeitsformen
nahelegen (Berechnungen, Beschreibungen, Sammeln von Information, Erstellen
und Interpretieren von Modellen im allgemeinen Sinne), um den Lernenden
auf eine selbständige Erkenntnistätigkeit vorzubereiten.
Methodische Gestaltung.
Ein den Unterricht begleitendes Lehrbuch bestimmt durch seine vorstrukturierte
Lernorganisation die Effektivität des Unterrichts mit. Neben der Wissensvermittlung
und Informationsdarstellung sollen Möglichkeiten der Einübung
und Selbstkontrolle zu einer spontanen Aktivierung der Schüler beitragen.
Optische Hervorhebung sollten funktionsorientiert eingesetzt werden.
Ein Schulbuch sollte möglichst methodenneutral oder methodenvariabel
sein, d.h. es sollte sich didaktisch und methodisch flexibel in eine Unterrichtsplanung
integrieren lassen.
Wie spricht das Buch die Schüler an? Richtet sich die Sprache an
die Person oder ist sie neutral gehalten? Sind altersgemäß lesbare
Texte enthalten? Ist das Buch farbig, bunt, knallig ...? Enthält es
Comics?
Im Lehrbuch ist einer jener Faktoren zu sehen, die in der Vorgabe von
Materialien und Hilfsmitteln die Lehrertätigkeit am stärksten
beeinflussen. Der Unterricht und das Lerntempo werden allerdings letztendlich
bestimmt durch die methodische und inhaltliche Gestaltung des Lehrers.
Es stellt sich stets auch die Frage, ob das betrachtete Lehrbuch zum Lehrer
passt.
Darüberhinaus gilt es praktische Kriterien zu berücksichtigen:
-
Hat das Buch ein handliches Format? Ist es schwer oder leicht (Schultasche!)?
-
Ist der Umschlag stabil, flexibel und strapazierfähig?
-
Was kostet das Buch (im Vergleich zu anderen Schulbüchern)?
-
Ist der Text gut lesbar, gegliedert, übersichtlich?
-
Gibt es ein brauchbares Inhalts- und Schlagwortverzeichnis?
-
Gibt es ein Lehrerbuch, in dem die Unterrichtseinheiten didaktisch, methodisch
und fachlich kommentiert werden?
* W. H. Peterßen: Handbuch Unterrichtsplanung. München 1982
|
Benutzer: Gast
Besitzer: mthomas Zuletzt geändert am:
|
|
|