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Die Darstellung soll jeweils über drei Etappen erfolgen:
Praktische Fragestellung:
Wenn im folgenden die Gestaltungsfragen bei der Entwicklung von Lernsoftware
im Wechselspiel von allgemeiner Begründung und konkretem Beispiel
diskutiert werden sollen, dann stellt sich das Problem eines sinnvollen
Anwendungsbeispiels. Es sollte ein Beispiel sein, das der Leser ohne tiefe
Einarbeitung in ein neues Themengebiet schnell erfassen und erschließen
kann.
Als praktische Problemstellung wird die Entwicklung eines Lernprogramms
zum Thema „Was ist computerunterstütztes Lernen?" eingeführt.
Damit sind im wesentlichen Inhalte angesprochen, die in den vorangegangenen
Kapiteln ausführlich skizziert wurden, d. h., im Kern drückt
die Wahl der Problemstellung den Versuch aus, spezifische Lerninhalte nunmehr
nicht über das Medium Buch, sondern über den Computer zu vermitteln.
Die Auswahl dieses Themas folgt der didaktischen Überlegung, auf dem
Leser bereits bekannte Inhalte zurückzugreifen und gleichzeitig die
bislang weitgehend allgemein gehaltenen Erörterungen im folgenden
vertiefen und konkretisieren zu können.
Nach der Festlegung des Themas treten all jene didaktischen Fragen in
den Vordergrund, die im Rahmen des Modells zur Lernsoftware-Entwicklung
angesprochen werden. Im folgenden geht es darum, die Fragen zu präzisieren,
nach theoretischen Lösungsansätzen zu suchen und für das
eingeführte Gestaltungsproblem exemplarische Lösungen aufzuzeigen.
Bei der Erörterung der theoretischen Lösungsansätze werden
die zentralen Aussagen wiederaufgenommen, die in Teil l im Rahmen der dort
verfolgten Systematik an verschiedenen Stellen vorgestellt wurden. Dabei
können relevante Ergebnisse in Erinnerung gerufen, in neue Zusammenhänge
gestellt und im Kontext eines Gestaltungsproblems weiter detailliert werden.
Aus diesem Vorgehen ergibt sich, daß Redundanzen nicht immer vermeidbar
sind -aber bekanntlich können Redundanzen auch eine lernfördernde
Funktion wahrnehmen.
Zunächst wird die eingeführte praktische Problemstellung
für den jeweiligen Entwicklungsschritt präzisiert.
Didaktische Fundamente:
Anschließend werden theoretische Ansätze eingeführt
und erläutert, die für die Beantwortung der Fragestellung hilfreich
sein können.
Praktische Umsetzung:
Schließlich werden die theoretischen Fundierungen auf die praktische
Problemstellung zurückbezogen, und es werden exemplarische Lösungsmöglichkeiten
vorgestellt.
2 Ausgangspunkte der Lernsoftware-Entwicklung
2.1 Analyse der Zielgruppe
Praktische Fragestellung
Für wen könnte ein Lernprogramm zum Thema „Was ist computerunterstütztes
Lernen?" von Interesse sein? Für welche Zielgruppe soll das Programm
entwickelt werden? Die Bestimmung der Zielgruppe sollte für den Lernprogrammautor
zu einer Vorstellung über diejenigen Personen führen, auf die
hin er die einzelnen Schritte des Lernprogramms plant und gestaltet. So
wie ein Lehrer zu einem Kind anders sprechen wird als zu einem Erwachsenen,
so wird der Autor ein Lernprogramm über das hier aufgenommene Thema
für den Computerexperten anders aufbauen als etwa für den interessierten
Pädagogen. Das zu entwickelnde Lernprogramm soll die gleiche Zielgruppe
ansprechen, die auch dieses Buch liest. Dies sagt einiges, aber nicht alles!
Zur Erinnerung:
Das Buch wurde in didaktischer Absicht geschrieben, d.h., es spricht
solche Leser an, die sich für die didaktischen Fragen der Lernsoftware-Entwicklung
aus theoretischem Erkenntnis- und/oder praktischem Gestaltungsinteresse
interessieren. In einer ersten Annäherung ließe sich formulieren,
die Zielgruppe des Lernprogramms seien Personen mit einem pädagogischen
Interesse bzw. Grundverständnis, jedoch ohne bzw. lediglich mit einem
noch oberflächlichen Verständnis von der Konzeption des computerunterstützten
Lernens. Als soziale Gruppen ließen sich beispielsweise Lehrer, Ausbilder,
Schul- und Ausbildungsleiter und Studenten mit einem pädagogisch-didaktischen
Grundverständnis unterscheiden.
Wie kann man sich eine solche Zielgruppe präziser vorstellen? Wie läßt sie sich so bestimmen, daß die aufgebaute Vorstellung über sie die Entwicklung einzelner Lernprogrammschritte begründen hilft?
Didaktische Fundamente
In der didaktischen Theorie stellt die Analyse der Zielgruppe eine
zentrale Aufgabe in nahezu allen didaktischen Modellen dar. Die Begründungen
klingen dabei ähnlich:
Normativ wird darauf verwiesen, daß der Lerner jeweils dort abzuholen
sei, wo er gerade stehe. Unabhängig davon, ob dem Lerner die ihm zunächst
äußerlichen Lerninhalte vermittelt werden sollen, die andere
für ihn ausgewählt haben, oder ob es im Lernprozeß darum
gehen soll, die dem Lernereigenen Erfahrungen, Erlebnisse und Gefühle
zu erörtern und zu klären -Ausgangspunkt sind jeweils die Voraussetzungen
des Lerners.
Deskriptiv wird daraufhingewiesen, daß es mit zunehmender Kenntnis
über die Voraussetzungen der Zielgruppe immer leichter werde, den Lernprozeß
auf den Anspruch einer lernerorientierten Didaktik auszurichten.
In der didaktischen Theorie werden vor diesem Hintergrund zwei Fragestellungen
verfolgt (vgl. Burbach 1985):
* Welche Merkmale der Zielgruppe sind von solch zentraler Bedeutung,
daß sie Aufschluß für die Gestaltung des Lehr-/Lernprozesses
geben?
* Wie lassen sich die ausgewählten Merkmale für eine konkrete
Zielgruppe bestimmen?
Allgemeindidaktische Theorien bieten lange Listen mit Merkmalen an, über die eine Zielgruppe näher bestimmt werden könnte, In der Literatur hat sich dabei die Unterscheidung von sogenannten anthropogenen und soziokulturellen Bedingungen durchgesetzt.1 Hinsichtlich der Feststellung der Ausprägungen für diese Merkmale bietet die didaktische Theorie eine Vielzahl von Verfahren der pädagogischen und psychologischen Diagnostik an (vgl. Burbach 1985, S. 87 ff.). Sie reichen von Formen der orientierenden Beobachtung und Befragung bis hin zu statistisch fundierten, aufwendigen Testverfahren. Vor diesem Hintergrund lassen sich für die Gestaltung von Lernprozessen im Rahmen von CUL zwei Fragen ableiten:
a) Welche Merkmale besitzen eine erhöhte Bedeutung für die
Lernsoftware-Gestaltung, so daß ihnen innerhalb der Zielgruppenanalyse
ein besonderes Augenmerk zukommen sollte?
b) Wie sollten diese Voraussetzungen der Zielgruppe im einzelnen bestimmt
werden?
Wenn didaktische Theorien Dutzende von Variablen für die Zielgruppenanalyse anbieten, dann besteht für den didaktisch Handelnden schnell die Gefahr, in die Situation des gestörten Tausendfüßlers zu geraten, der sich Klarheit darüber verschaffen möchte, wie die Koordination seines Bewegungsapparats funktioniert, und im Wissen darüber völlig handlungs-unfähig wird. Aus diesem Grunde soll im folgenden eine überschaubare Zahl von acht Merkmalen eingeführt werden, die die Bestimmung der Zielgruppe anleiten kann. Die Auswahl folgt dem Grundsatz der Praktikabilität, d. h., die Merkmale sollen dazu dienen, handhabbare Entscheidungskriterien sowohl für die Auswahl (CUL-) geeigneter Zielgruppen als auch für die konkrete Gestaltung von Lernprogrammsequenzen bereitzustellen. Im einzelnen werden die Merkmalsausprägungen in einem mittleren Differenzierungsgrad jeweils in Form einer Zweiteilung angeführt. An einzelnen Stellen wird versucht, die Differenzierung durch Hinweis auf empirische Beispiele zu plausibilisieren. Mit der Auswahl der Merkmale ist auch die Frage ihrer Bestimmbarkeit mitgedacht. Die einzuführenden Zielgruppenmerkmale stellen solche Dispositionen dar, die nicht notwendigerweise über umfangreiche Testverfahren bestimmt werden müssen. Es wird vielmehr davon ausgegangen, daß sie auch intuitiv bzw. über eine intensive gedankliche Vorstellung im konkreten Fall präzisiert werden können. Folgende Übersicht soll die anschließende Orientierung erleichtern:
1. Situative Dipositionen
a) PC-Vertrautheit: hoch-niedrig b) Inhaltsvertrautheit: hoch-niedrig 2. Affektive Dispositionen a) CU L-Akzeptanz: hoch - niedrig b) Lernansprüche: (eher) sachlich-emotional-sozial c) Umgang mit Lernerfolgsdiagnosen: sachlich - persönlich 3. Kognitive Dispositionen a) Lernstil: aktiv-passiv b) Bevorzugte Wahrnehmungsformen: abstrakt - gegenständlich c) Informationsverarbeitungsfähigkeiten: hoch-niedrig |
1. Situative Dipositionen
a) PC-Vertrautheit: hoch-niedrig
Unter diesem Merkmal wird eine gewisse Routine im Umgang mit einem
PC verstanden. Der Computer ist dem Lernervertraut, ohne daß er notwendigerweise
tiefergehende Kenntnisse über ihn besitzen muß. Die Vertrautheit
kann sich im einzelnen auf das psychomotorische Handling der Hardware-Komponenten
oder auf den Dialog mit System- oder Anwendungsprogrammen beziehen. Darüber
hinausgehend könnte differenziert werden, ob der Lerner mit genau
dem PC-Typ vertraut ist, auf dem er die Lernsoftware bearbeiten soll, oder
ob ihm der Umgang mit dem Computer im allgemeinen Sinne vertraut ist.
b) Inhaltsvertrautheit: hoch - niedrig
Die Lerninhalte eines konkreten Lernprogramms können sich auf
Themenbereiche
beziehen, die dem Lerner in unterschiedlichem Maße vertraut sind.
Entsprechend dem bereits verfügbaren thematischen Orientierungs- und Konzeptwissen fällt dem Lerner die Einordnung
neuer Inhalte aus der Lernsoftware dann schwerer oder leichter.
„Sozio-kulturelle Bedingungen der Zielgruppe
sind (zunächst) alle im weitesten Sinne sozialen, ökonomischen
und kulturellen Faktoren einschließlich deren Verflechtungen, die
als äußere Rahmenbedingungen für den bzw. die Lernenden
lebensrelevant sind (zum Beispiel: Schichtzugehörigkeit, familiale
Situation, Lebensstandard, Erziehungspraktiken, Wertordnung und Normen,
Entwicklungs- und Bildungsanreize, Schullaufbahn, formelle und informelle
Ordnung der Lerngruppe, administrative Vorgaben, peergroups etc.). Anthropogene
Bedingungen der Zielgruppe sind demgegenüber (zunächst) alle dispositiven
und ausgeprägten individuell-personalen, menschliches Verhalten, d.
h. Denken, Fühlen und Handeln bestimmenden und ausmachenden [...]
Merkmale des bzw. der Lernenden (zum Beispiel: Alter und Entwicklungsphase,
Geschlecht, körperliche Belastbarkeit, Erfahrung, Einstellungen und
Haltungen, Lern- und Leistungskapazität, Lern-, Leistungs- und Sozialverhalten,
Lern- und Leistungsstand etc.)." (Burbach 1985, S. 5)
2.Affektive Dispositionen
a) CUL-Akzeptanz: hoch-niedrig
CUL-Akzeptanz beschreibt die prinzipielle Bereitschaft, mit Hilfe
eines Lernprogramms zu lernen bzw. sich auf die Methodenkonzeption des CUL
einzulassen. Die CUL-Akzeptanz könnte differenziert werden in
eine anfängliche und eine dauerhafte: Diese Unterscheidung greift
die Möglichkeit auf, daß die Anfangsmotivation bei den ersten
Einsätzen der Methode auf dem Neuigkeitseffekt und der Faszination
des Computers beruht und nicht aus der Methode selbst resultiert (vgl.
Freibichler 1973, S. 43; Eyferthu.a. 1974, S. 109)
b) Lernansprüche: (eher) sachlich-emotional-sozial
Die Lernansprüche können in der Tendenz eher sachlich oder
emotional-sozial bestimmt sein. Entscheidend ist, welche Motivstrukturen
jeweils beim Lernerwirksam sind: Eine sachliche Dominanz ist anzunehmen,
wenn das Leistungs(erfolg)- oder das Interessemotiv für den Lerner eine
hohe Bedeutung besitzt (vgl. Heckhausen 1965); eine emotional-soziale Dominanz
liegt demgegenüber vor, wenn beispielsweise Bedürfnisse nach
Geltung, Identifikation, Zustimmung u.a. (vgl. Jongebloed 1977), nach Gruppenzugehörigkeit
(vgl. Keller 1983, S. 412 f.; Keller/ Suzuki 1988, S. 404) oder nach Spaß
beim Lernen im Vordergrund stehen. Will sich der Lerner in kurzer Zeit- ggf.
vordem Hintergrund eines äußeren Problemdrucks-neue Lerninhalte
aneignen, so dominieren weitgehend sachliche Ansprüche. Lernen soll
dann schnell zum Aufbau neuer Fähigkeiten führen, Ansprüche
an die Methode sind nachgeordnet. Hat der Lerner hingegen Ansprüche
an die emotionale und soziale Qualität des Lernens, indem er entweder
Lernen mit Spaß bzw. Freude verbindet, sich in einer sozialen Gruppe
wohlfühlen möchte oder umgekehrt disziplinierendes bzw. direktives
Lehren vermeiden möchte, so ist das sächliche Interesse durch
emotional-soziale Ansprüche imprägniert oder wird gar von diesen
überlagert.
c) Umgang mit Lernerfolgsdiagnosen: sachlich -
persönlich
Lernende können sehr unterschiedlich auf Lernerfolgsdiagnosen
reagieren:
Sie interpretieren Rückmeldungen bzw. Bewertungen ihrer Lernleistung
eher sachbezogen, d.h., sie beziehen die Diagnose auf die Lernaufgabe bzw.
den Sachgehalt der Diagnose. Sie interpretieren Diagnosen personenbezogen, d.h., sie beziehen die
Bewertung auf ihre Person und deuten Hinweise auf Fehler als persönliche Kritik.
Fischer u.a. weisen darauf hin, daß der Umgang mit Lernerfolgsdiagnosen
zwischen erfolgs- und miß-erfolgsorientierten Lernern variiert: „Während
erfolgreiche Lernende ihre Selbstreflexion ganz auf die Lernaufgabe, von
der Identifikation der verlangten Ziele bis hin zur Planung ihrer Vorgehensweise,
der Prüfung ihrer Fortschritte an Lernkriterien und der Beseitigung
von Defiziten, konzentrierten, also ,sachlich' steuerten, fokussierten
die schwächeren Studenten ihre Selbstreflexion stattdessen auf eher
statische Aspekte ihrer (negativ bewerteten) Lernfähigkeit, um dann
resignierend die ´Unabänderlichkeit´ ihres Versagens festzustellen. Sie interpretierten
ihre lernbegleitenden Selbstwahrnehmungen, sofern sie überhaupt als
,diagnostisch' gelten können, affektiv und verwendeten sie fast ausschließlich,
um ihren ,Mißerfolg' intern zu attributieren." (Fischer u.a. 1984,
S. 14; vgl. auch Heckhausen 1965,S.605)
3. Kognitive Dispositionen
a) Lernstil: aktiv-passiv
Mit dem Lernstil soll die prinzipielle Herangehensweise an Probleme
bzw. offene Fragen verstanden werden. Ein aktiver Lernst kennzeichnet eine
explorative Grundhaltung, in der Probleme so aufgenommen und bearbeitet
werden, daß eine selbständige Lösung gesucht wird. Eine passive
Haltung bezeichnet demgegenüber eine rezeptive Grundhaltung, die
eine stärkere äußere Führung und Anleitung zur Strukturierung
und Lösung der Probleme erwartet.
b) Bevorzugte Wahrnehmungsformen: abstrakt-gegenständlich
Anstelle eines möglichen Lernermerkmals „Abstrak-tionsvermögen"
oder „Sprachniveau" soll das Merkmal der Wahrnehmungspräferenzen verwendet
werden. Damit wird ein theoretischer Zusammenhang integrierbar, der in
vielen Varianten die lernpsycho-logische Literatur durchzieht. Erinnert
sei exemplarisch an die Theorie der Lerntypen nach Vester (1985) oder die
von Salomon (1979, S. 79 f., 87, 110, 218) begründete These, nach
der mit der Vertrautheit der Darstellungsform auch das Verständnis
der Inhalte gefördert wird. Heidt (1976, S. 164) verwendet in diesem
Zusammenhang den Begriff des kognitiven Stils, definiert als „eine individuelle
Vorliebe (und Fähigkeit) für bestimmte Arten der Informationsbeachtung
und Informationsbearbeitung".
Entsprechend einer anschauungstheoretisch begründbaren Deckung von Wahrnehmungspräferenz und Symbolform (vgl. Euler 1987, S. 131 ff.) kann das Lernermerkmal in der Ausprägung von abstrakt und gegenständlich konstruiert werden. „Abstrakt" soll solche Lerntypen bezeichnen, die bevorzugt über verbale Darstellungen lernen, während sich „gegenständlich" auf visuelle und haptische Formen bezieht.
2 In der amerikanischen Literatur wird in diesem Zusammenhang die "continuing motivation" (als die Bereitschaft, ohne externen Einfluß oder Druck zu einer Lernaufgabe zurückzukehren) diskutiert (vgl. Kinzie/Sullivan 1988, S. 247 f.; Keller/ Suzuki 1988, S. 407). Dalton/Goodrum/Olsen resümieren hier-zu (1988, S. 228): „Lernende, die mit dem Computer lernen, sind in der Regel eher geneigt, ihre Aufgaben fortzusetzen oder wiederaufzunehmen als jene, die mit Papier und Stift lernen." ("learners using computer-based delivery Systems are generally more willing to persist in, and return to learning tasks than learners engaged in the same instructional activities with pencil-and-paper methods.")
c) Informationsverarbeitungsfähigkeiten: hoch-niedrig
„Informationsverarbeitungsfähigkeiten" soll als Sammelbegriff
all jene Kompetenzen des Lerners umfassen, die der stabilen Integration
von neuen Informationen in die vorhandenen Erfahrungsstrukturen dienen.
Weinstein und Mayer (in: Tobias 1987, S. 224) unterscheiden die folgenden
zentralen Komponenten: Übungsstrategien (Wiederholen, Zusammenfassen,
Umschreiben der Informationen);
Elaborationsstrategien (Umformen in eine andere Symbolform, Verbinden
mit vorhandenen Erfahrungen); Organisationsstrategien (Ordnen und Gruppieren
der Informationen); Kontrollstrategien (Identifizieren von Verständnislücken
und offenen Problemen). Erweiternd könnte man auch die
Informationsaufnahmekapazität
einbeziehen und sie als eine Fähigkeit des Lerners verstehen, ohne
methodische Anleitungen vergleichsweise große Informationsmengen
aufnehmen zu können. Bezogen auf ein Ablaufmodell des Lernens wäre
dann der Gesamtprozeß der Aufnahme, Verarbeitung und Erinnerung
von Informationen erfaßt. Grob wird diese Variable häufig mit
der schulischen Vorbildung zu erfassen versucht.
Insbesondere die Organisationsstrategien im Sinne einer Modell- bzw.
Konzeptbildungsfähigkeit scheinen beim CUL von Bedeutung, da die dargestellten
Inhalte mit jeder neuen Bildschirmseite verschwinden und anders als beim Buch
einen Überblick über den Zusammenhang der präsentierten Informationen erfordern. In diesem Zusammenhang kann
auf Tietgens/Weinberg
(1971, S. 86) hingewiesen werden, die zwischen dem additiv-kasuistischen
und dem generalisierend-strukturierenden Lerntyp unterscheiden.
Praktische Umsetzung
Auf der Basis der theoretischen Grundlegungen soll die Zielgruppe für
das zu entwickelnde Lernprogramm über die erste Annäherung hinaus
(„Lehrer, Ausbilder und Studenten, Ausbildungs- und Schulleiter mit einem
pädagogisch-didaktischen Grund-verständnis") wie folgt skizziert
werden:
1. Situative Dipositionen
a) PC-Vertrautheit: hoch
Die PC-Vertrautheit wird deshalb als hoch angenommen, weil die Zielgruppe
in ihren jeweiligen Lebensbezügen vielfältige Berührungspunkte
mit Compu-tern besitzt. Es ist zu erwarten, daß die Lerner einen
Teil ihrer Arbeit über den PC erledigen und dadurch eine operative
Geübtheit entwickelt haben. Darüber hinaus kann bei einem Großteil
angenommen werden, daß sie im Bereich der Aus- und Weiterbildung
mit den grundlegenden Zusammenhängen eines informationstechnischen
Systems vertraut gemacht worden sind.
b) Inhaltsvertrautheit: niedrig
Bei der Zielgruppe kann zwar davon ausgegangen werden, daß sie
mit einer Vielzahl allgemeindidaktischer Kategorien vertraut, hingegen
die Konzeption des CUL weithin unbekannt ist. CUL gilt als ein „Spezialthema"
der Didaktik, das zwar auf ein gewisses Interesse trifft, dem man sich
aufgrund der Konnotationen mit informationstechnischen Aspekten jedoch
eher vorsichtig nähert.
2.Affektive Dispositionen
a) CUL-Akzeptanz: hoch
Es wird davon ausgegangen, daß das freiwillige Einlassen auf
eine Auseinandersetzung mit dem zu entwickelnden Lernprogramm auf eine
prinzipielle CUL- Akzeptanz schließen läßt.
b) Lernansprüche: (eher) emotional-sozial
Es wird angenommen, daß die Neugier bzw. Aufgeschlossenheit
für neue Lehr-/Lernmethoden mit der Einstellung verbunden ist, Lernen
nicht als notwendiges Leid zu neuen Erfahrungen zu verstehen, sondern
sich Lernen immer auch als angenehmes und genußvolles Erlebnis zu
wünschen. Lernen soll in dieser Perspektive eher eine Lebensform denn
ein qualvolles Durchkämpfen von Texten und Inhalten sein.
c) Umgang mit Lernerfolgsdiagnosen: sachlich
Für die Zielgruppe wird die Bereitschaft angenommen, sich selbstbewußt
auch mit Kritik auseinanderzusetzen, d.h., nicht in einer defensiv-unsicheren
Haltung Bewertungen als Angriff auf die eigene Person zu verstehen.
3. Kognitive Dispositionen
a) Lernstil: aktiv
Die Aufgeschlossenheit für eine neue Lehr-/Lernmethode wie CUL wird
als Indikator dafür gewertet, in einer explorativ- neugierigen Haltung
mit Neuem umzugehen. Lernimpulse werden demnach als Ausgangspunkt für
eigenes Überlegen und Forschen genommen, nicht als fixe Aussagen,
die es zu konservieren gilt.
b) Bevorzugte Wahrnehmungsformen: abstrakt
Es wird davon ausgegangen, daß die Zielgruppe gewohnt ist, prinzipiell
mit abstrakten Symbolformen -wie etwa Texten- umzugehen, wenngleich sie
gegenständliche Symbolformen aufgrund ihrer didaktischen Orientierung
sehr schätzen wird.
c) Informationsverarbeitungsfähigkeiten: hoch
Es kann davon ausgegangen werden, daß die Zielgruppe ausgeprägte
Fähigkeiten besitzt, neue Inhalte aufzunehmen, zu verarbeiten und
zu behalten.
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