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3.2 Vorteile und Probleme der Veranschaulichungsmittel

Weshalb, so könnte man fragen, werden überhaupt Veranschaulichungsmittel im Erstrechenunterricht (und auch später) verwendet? Ließe sich nicht leichter und kindgemäßer dasselbe anhand der Alltagssituation und mit den konkreten Objekten ihrer kindlichen Lebenswelt verdeutlichen, in denen ein Problem, eine Fragestellung auftritt, die durch eine arithmetische Operation beantwortet werden kann? Wozu also visuelle Darstellungen mit Veranschaulichungsmaterialien, die als Modelle für einen Sachverhalt fungieren, und nicht den Sachverhalt selbst? Was ist der Vorteil von Modellen im Vergleich zu der entsprechenden Situation?

Unseres Erachtens verfügen Modelle über eine Reihe von didaktischen Vorteilen, die mit ihrer Symbolfunktion zusammenhängen (vgl. JAHNKE, 1984; MALLE, 1984, 65 f):

- Die Modelle repräsentieren Situationen, die selbst wieder Modelle sein können.

- Sie erfassen im allgemeinen nicht alle Attribute der durch sie repräsentierten Situation, sondern nur solche Eigenschaften, die bezüglich einer bestimmten Perspektive relevant erscheinen, zum Beispiel dem arithmetischen Aspekt.

- Modelle repräsentieren nicht nur die in der Situation verwendeten Objekte, sondern auch die Beziehungen zwischen diesen Objekten.

Diese Beziehungen repräsentieren sie aber nicht von sich aus, sondern der Schüler, der Modellbenutzer, muß sie durch Handlungen aufdecken bzw. schaffen.

- Die Modelle stehen zu den Situationen, die sie repräsentieren, in einem systematischen Zusammenhang und beeinflussen einander.


Für den heuristischen Wert eines visuellen Modells in Bezug auf ein bestimmtes Problem ist es daher günstig, wenn die im Modell naheliegenden Handlungen zur Lösung des Problems führen,

- wenn die im Modell naheliegenden Handlungen zur Lösung des Problems führen, 

- wenn die Handlungen in dem Modell eine Ähnlichkeit zu jenen Handlungen aufweisen, die in der Situation auszuführen sind und die ihnen zugeordnet werden können,

- wenn die Handlungen in der Situation, die zur Problemlösung führen können, die aber nicht naheliegend sind, in naheliegende Handlungen des Modells übersetzt werden (vgl. MALLE, 1984,76).       


"Die, Fähigkeit, eine Handlung gedanklich zu vollziehen, spiegelt die Möglichkeit wider, die Ergebnisse der gleichen äußeren Handlung vorauszusehen. Das Problem der Bildung geistiger Handlungen ist insofern von Bedeutung, als niemand leugnen kann, wie wichtig es ist, die Frage zu beantworten, unter welchen Bedingungen sie sich richtig bilden, wodurch sie möglicherweise gestört werden und wie sich solche Störungen beseitigen lassen. Oft hört man jedoch die Meinung, die Bedeutung dieses Problems werde von zwei Seiten her eingeengt: vom Gebiet der rein geistigen, intellektuellen Prozesse und von den Interessen der Pädagogik oder, noch enger gesehen, der Methodik, solche geistigen Handlungen zu vermitteln.

Diese Meinung wird teilweise schon durch die Art der geistigen Handlung hervorgerufen, die sich gewissermaßen als gegenständliche Handlung (mathematische Berechnung, grammatische oder historische Analyse) offenbart, die gedanklich vollzogen wird. Der gegenständliche Inhalt der Handlung ist natürlich kein psychologisches Problem. Betrachten wir nur diesen Inhalt, dann gehört die Frage nach den Verfahren, mit denen sich die Fähigkeit, die Handlung gedanklich richtig zu reproduzieren, ausbilden läßt, zur Methodik des betreffenden Unterrichtsfaches.

Vertritt man diese Ansicht, setzt man jedoch die geistige Handlung ihrem gegenständlichen Inhalt gleich, und das ist offensichtlich ein Fehler. Eine reale geistige Handlung des Subjekts ist nicht identisch mit jenem gegenständlichen Inhalt mit ihrer Hilfe reproduziert werden soll. Dennoch sind die realen Bedingungen keineswegs für den Vollzug der Handlung gleichgültig. Schon bei der einfachen Additionsaufgabe 2 + 3 = 5 muß man die realen Umstände dieser Handlung berücksichtigen. Es gilt, zwischen dem inneren Modell der Handlung un Handlung selbst zu unterscheiden, die nach diesem Modell realisiert und kontrolliert wird. Sowohl das Modell als auch der Handlungsvollzug müssen sich im Bewußtsein des Subjekts widerspiegeln; das Subjekt muß in den Gegenständen wesentlichen Beziehungen der Handlung und in den Begriffen die Widerspiegelung gegenständlicher Beziehungen sehen, um sich unter mannigfachen Bedingungen auf den Handlungsvollzug an neuem Material richtig orientieren zu können" (GALPERIN, 1972, 33 f).


HANISCH (1985) diskutiert die Probleme, die sich beim Umgang mit Visualisierungsmaterialien ergeben. (Dabei verwendet er allerdings den Begriff Visualisierung in einem didaktischen Sinne, als bildhafte Darstellungen, etwa Zeichnungen, Diagramme etc. Dies entspricht nicht der Verwendung des Terminus ir vorliegenden Arbeit. Wir würden es vorziehen, statt von Visualisierungen hier von Visualisierungshilfen zu sprechen.) HANISCH faßt die Schwierigkeiten folgendermaßen zusammen:

1. So gut Visualisieren sich für das Finden mathematischer Sätze und Beweise eignet, so schlecht ist es i.a. für die Darstellung eines Beweises.

2. So oft Visualisieren auch den Blickwinkel erweitert, kann es ihn einschränken, da es nur eine 'Sicht' der Dinge wiedergibt.

3. Weil Visualisieren viel zum Verständnis beiträgt, wird nicht Visualisierbares leider häufig vernachlässigt.

4. Beim Visualisieren um jeden Preis muß die Visualisierung als zusätzliches Wissen gelernt werden.

5. Bei aller Visualisierung darf das enaktive Element (Mathematik als Tun) nicht vergessen werden.

6. Schlechte Visualisierungen sind auf jeden Fall zu vermeiden, nicht alles in der Mathematik ist visualisierbar“ (HANISCH 1985, 104 f).

Auch wenn nicht alle diese Probleme für den arithmetischen Anfangsunterricht virulent sind (zum Beispiel 1. und 3.), so zeigen sie doch die methodischen Hürden auf, die der Mathematikunterricht zu überwinden hat. Insbesondere die Verwendung der Materiahen in verschiedenen Phasen des Unterrichts (siehe Kapitel 5) kann unterschiedlich günstig sein, sogar teilweise hemmend wirken.

"The role of concrete material varies not only with the stage of instruction but also with the problem. In mastering new concepts and principles, concrete material is a support to leaming. But in recognizing a previously studied concept or prineiple under new conditions, conerete material ... becomes a condition which not only fails to simplify but aetually complicates an assignment" (MENCHINSKAYA & MORO, 1975, 24 f).

Dies bedeutet, daß dem Lehrer die Aufgabe zufällt, den Einsatz der Visualisierungsmittel je nach Aufgabe und je nach Begriffsentwicklungsstadium der Schüler zu variieren. Selbst auf der Stufe der Behandlung des Zahlenraumes bis 10 und bei der Aneignung arithmetischer Verfahren darin läßt sich zu lange konkretes Material benutzen: Nach oder schon während der Einführung der ersten zehn Zahlen behandelt der Lehrer die Addition und Subtraktion. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem günstigen Verfahren, Gruppen hinzuzufügen oder fortzunehmen, um die Schüler von dem Zählen fortzuführen. Die Verwendung konkreten Materials kann sich dabei als begriffshemmend im Sinne der Ausbildung des Additions- und Subtraktionsverfahrens herausstellen.

If the children then are given only concrete visual aids (i.c., objects) in solving examples and problems, as they did earlier, the instructor not only fails to make the transition easier, but on the contrary makes it more difficult for them to advance to the new method of determining the result. Indeed, if, for example, the remainder which the children are to determine in solving a subtraction problem ispresented in visual form, it is easier for them to count the corresponding objects than to use the subtraction method, which is less rational-under these conditions" (MENCHINSKAYA & MORO, 1975,60).

Die. Zielrichtung der folgenden Kapitel wird sein, die Spezifika der kindlichen Anschauung (Kap. 4) zu untersuchen und mögliche Störformen aufzuzeigen (Kap 5). Außerdem soll die Beziehung zu den Veranschaulichungsmitteln des Mathematikunterrichts hergestellt werden (Kap. 6). Für die verschiedenen Bereiche, in denen diese Mittel eingesetzt werden und in Abhängigkeit von spezifischen Schülercharakteristika, wollen wir die Schwierigkeiten in ihrem Umgang und ihre hemmende oder fördernde Kraft aufzeigen in bezug zu bestimmten arithmetischen Aufgaben des Erstrechenunterrichts.  

Benutzer: Gast • Besitzer: matthias • Zuletzt geändert am: