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5.2 Matrix zur unterrichtlichen Funktion von Medien (GAGNE)
GAGNE versteht Medien als einen Teil schulischer Lernumwelt. Während
der Vorschuljahre »reizen« die Objekte selbst und unmittelbar
das lernende Kind und lösen die lernförderliche Auseinandersetzung
mit ihm aus. Das Schulkind hat es in der Regel nicht mehr mit unverfälschten
und natürlichen Objekten zu tun, sondern mit aufbereiteten. Alle solche
für den Unterricht geschaffenen Mittel, deren Funktion darin besteht,
Schülern Lernanreize zu bieten, faßt GAGNE als Medien auf.
In einer Matrix unterscheidet er sieben Grundformen von Medien und
stellt dar, wofür sie im Unterricht seiner Meinung nach besonders
geeignet sind (GAGNE 1969, S. 230):
Funktion | Medien | ||||||
Objekte Demonstration | Mündliche Kommunikation | Gedruckte Medien | Ruhende Bilder | Bewegte Bilder | Tonfilm | Lehrmaschinen | |
Reiz-Darbietung | Ja | begrenzt | begrenzt | Ja | Ja | Ja | Ja |
Lenkung der
Aufmerksamkeit und anderer Tätigkeit |
nein | Ja | Ja | nein | nein | Ja | Ja |
Modell der erwarteten Leistung
bereitstellen |
begrenzt | Ja | Ja | begrenzt | begrenzt | ja | Ja |
Äußere
Hilfen geben |
begrenzt | ja | Ja | begrenzt | begrenzt | Ja | Ja |
Denken steuern | nein | Ja | ja | nein | nein | Ja | Ja |
Transfer
veranlassen |
begrenzt | Ja | begrenzt | begrenzt | begrenzt | begrenzt | begrenzt |
Ergebnisse
überprüfen |
nein | ja | ja | nein | nein | Ja | Ja |
Rückmeldung
vermitteln |
begrenzt | Ja | ja | nein | begrenzt | Ja | Ja |
Abb. 60: Unterrichtliche Funktion verschiedener Medien nach GAGNE
Man muß diese Klassifikation als eine von GAGNE überaus
subjektiv vorgenommene betrachten. Eine eingehendere und kritische Einschätzung
findet sich bei HEIDT (1976, S. 19ff.).
Dem Lehrer hilft der Kegel bei der Feststellung, wie abstrakt die Lernsituation
ist, die das von ihm vorgesehene Material bewirken kann. Er kann daraufhin
entscheiden, ob er eine solche - abstrahierende bzw. konkretisierende - Lernsituation verwirklichen möchte, ob gerade sie in der spezifischen
unterrichtlichen Situation angebracht ist. DALE bietet dem Lehrer eine
weitere Hilfe an, indem er zuordnet, welche Art von Tätigkeit durch
das Material vorwiegend bewirkt wird, ob ein »Tun«, ein »Beobachten«
oder eine »Versinnbildlichung«:
Abb. 62: Wirkungen der audiovisuellen Materialien in Unterrichts-/Lernsituationen
nach DALE
Selbstverständlich bedeutet die Entfernung von unmittelbarer Erfahrung
keine Minderung der Lernwirksamkeit des Materials. Welches Material das
jeweils geeignetste ist, hängt davon ab, welchen Grad an Konkretheit
bzw. Abstraktheit eine Lernsituation haben kann bzw. sollte. Und das ist
nur mit Blick auf die betroffenen Schüler und die besonderen Lerninhalte
feststellbar. Der »Kegel der Erfahrung« ist keine Abbildung
der Wirksamkeit von Medien, sondern eine gute metaphorische Hilfe zur Strukturierung
der Medienentscheidung.
Exkurs: Über den Einsatz von Medien im Unterricht - Ein Beitrag zu den Bestimmungen der Medienwahl
l Zur Fragestellung
Es gibt keinen Unterricht, in dem nicht bestimmte Medien eingesetzt
werden, so daß für den Lehrer ein wesentliches Problem seiner
Vorbereitung des Unterrichts die Frage ist, für welches Medium er
sich jeweils entscheiden soll. Die Frage, der wir im folgenden nachgehen
wollen, lautet: »Worauf hat der Lehrer bei seiner Entscheidung für
den Medieneinsatz besonders zu achten?« Um diese Frage beantworten
zu können, muß die Funktion von Medien im Unterricht ermittelt
und genauer dargestellt werden; das Wissen um die Grundfunktion von Medien
als Verständigungsmittel reicht nicht aus, um dem Lehrer Entscheidungshilfen
zu gewähren.
Zur Klärung der Funktion von Unterrichtsmedien soll der Strukturzusammenhang
aufgezeigt werden, in dem ein Medium mit den übrigen Momenten des
Unterrichts steht. Das kann unter Rückgriff auf das von HEIMANN entwickelte
Strukturmodell des Lehrens und Lernens geschehen, das als didaktisches
Modell der Berliner Schule bekanntgeworden ist. Es geht von der Voraussetzung
aus, daß jeder Unterricht vier Entscheidungen des Lehrers erforderlich
macht, und zwar für eine Zielsetzung, einen Inhalt, eine Methode und
ein Medium des Lehrens und Lernens, und daß diese Entscheidungen
von sozial-kulturellen Voraussetzungen einerseits und von anthropologisch-psychologischen
Voraussetzungen andererseits abhängig zu machen sind (HEIMANN 1962).
Uns interessiert dabei die Beziehung, in der das Medium jeweils zu den
anderen Momenten steht und die als »Interdependenz« aufgefaßt
wird. Das heißt, die Entscheidung des Lehrers für den Einsatz
eines Mediums ist nicht nur von Bedingungen sozialer und individueller
Art sowie von Vorentscheidungen für Intentionen, Inhalte und Methoden
abhängig, sondern sie wirkt auch auf diese zurück und macht unter
Umständen veränderte Entscheidungen in allen anderen Dimensionen
notwendig.
Unsere Ausgangsfrage spitzt sich demnach zu auf die Frage, in welchem
Zusammenhang die Medienentscheidung mit den übrigen fünf Momenten
des Unterrichts steht. Durch Erörterung der einzelnen Zusammenhänge
kann in groben Umrissen geklärt werden, welches die Bestimmungsgründe
für die Medienwahl durch den Lehrer sind.
3 Zur Repräsentation von Unterrichtsinhalten durch Medien
Der grundsätzliche Bezug von Medien auf Unterrichtsinhalte wird
von HEIMANN auf die Formel »Repräsentation der Unterrichtsinhalte
durch bestimmte Medien« gebracht (HEIMANN 1962, S. 421). Dieser Auffassung
des Inhaltsbezuges liegt die Einsicht zugrunde, daß Unterrichtsinhalte,
wie PETER sagt, im eigentlichen »ideeller Natur« sind (PETER
1954, S. 75). Um dies an einem von ihm angeführten Beispiel zu erläutern:
Wenn im Unterricht die »Lüneburger Heide« behandelt wird,
so ist nicht die reale Landschaft selbst als ein räumlich Gegebenes
Unterrichtsinhalt, sondern die einzelnen typischen Kriterien dieser Landschaft
werden als ein »Geflecht von Zusammenhängen« zum Inhalt;
dieses »Geflecht« ist keineswegs räumlicher Art und wird
deshalb als der »Unterrichtsgegenstand von gedanklichem, ideellem
Charakter« bezeichnet (vgl. PETER 1954, S. 76).
Im Unterricht müssen derartige ideelle Inhalte, um gelernt werden
zu können, »vergegenständlicht« werden. Dies leisten
Unterrichtsmedien, so daß ihre inhaltsbezogene Funktion vorläufig
als »Vergegenständlichung« umschrieben werden kann. Nach
PETER ist Vergegenständlichung notwendig, um im Schüler eine
»Vorstellungsgrundlage« über den jeweiligen Unterrichtsinhalt
zu schaffen, da er ihn nur dann im Lernprozeß erfassen kann. Diese
Auffassung über die zum Lernen erforderliche Vorstellungsgrundlage
geht zurück auf die Erkenntnistheorie KANTS, nach der Erkenntnis nur
von solchen Gegenständen möglich ist, von denen man außer
einem Begriff auch eine Anschauung hat, und auf die pädagogische Fassung
dieser Aussage bei PESTALOZZI, der von der »Anschauung als Fundament
der Erkenntnis« sprach.
Anschauung im Sinne KANTS heißt keineswegs »Veranschaulichung«
in der Weise, daß Unterrichtsinhalte nunmehr illustrativ und bildhaft
dargeboten werden müßten, so daß auch die vergegenständlichende
Funktion von Unterrichtsmedien nicht mit Illustration gleichgesetzt werden
kann. Das heißt, es geht nicht um Bilder sinnlich-visueller Art,
sondern die inhaltsbezogene Funktion von Unterrichtsmedien besteht darin,
eine Erfahrungsgrundlage des zu lernenden Inhalts für den Schüler
zu legen. Eine Erfahrungsgrundlage für den Schüler zu schaffen
bedeutet durchaus nicht nur, ihm Gelegenheit zur direkten Konfrontation
und handelnden Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit zu bieten, sondern
erfahrbar wird ein Unterrichtsinhalt auch dadurch, daß man frühere
Erfahrungen des Schülers erschließen kann. An unserem Beispiel
aufgezeigt: Der Schüler muß keinesfalls in die Lüneburger
Heide geführt werden, um diese als eine durch besondere Kriterien
gekennzeichnete und typische Landschaft zu begreifen. An die Stelle einer
solchen, wie in der Mediendidaktik unterschieden wird, »Primärerfahrung«
können Formen der »Sekundärerfahrung« treten, wie
zum Beispiel Film, Buch, Bilder, Karten usw. In früheren Lernprozessen
zum Beispiel hat der Schüler erfahren, in welcher Weise Kartenzeichen
die reale Wirklichkeit darstellen, so daß er aus einer Karte auf
die wirklichen Merkmale der Lüneburger Heide schließen kann,
etwa auf Ausdehnung, Lage, Höhenzüge, Wasserläufe und ähnliches.
Im Unterricht der Gegenwart tritt das Lernen an der Wirklichkeit gegenüber
dem Lernen durch Sekundärerfahrungen zurück. Das ist einerseits
eine Folge der allgemein zunehmenden Entwicklung und Verbreitung von Medien sowie ihrem unter
Rationalisierungsaspekten stehenden Einsatz im Unterricht, andererseits
ist der Unterricht geradezu auf Mittel zur Schaffung von Sekundärerfahrungen
angewiesen. Da im planmäßigen Lehr- und Lerngeschehen die Wirklichkeit
zumeist nicht präsent ist und der Augenblick nicht abgewartet werden
kann, in dem sie sich zufällig einstellt, müssen verfügbare
Mittel zu ihrer Repräsentation bereitgestellt werden. Unter diesem
letzteren Gesichtspunkt entwickelte übrigens bereits COMENIUS im 17.
Jahrhundert sein illustriertes Lehrbuch, den »Orbis sensualium pictus«,
um seinem Anschauungsprinzip der »autopsia« auch in der Schulpraxis
entsprechen zu können.
Um dem Lehrer einen Überblick über Medien-Grundformen und
Hilfen für die Medienwahl zu geben, stellt DALE die Formen nach der
Wirklichkeitsnähe bzw. -ferne der von ihnen jeweils ausgelösten
Lernsituationen in einem »Kegel der Erfahrung« (»cone
of experience«) dar. Auf der Basis des Lernens an der Wirklichkeit
erhebt sich der Kegel und läuft in einer Spitze des Lernens anhand
von abstrakten und symbolhaften Darstellungen der Wirklichkeit aus (DALE
1969, S. 107; vgl. die Abb. 61 und 62 im vorliegenden Buch auf den Seiten
386 und 387).
Dieser Kegel, an dem abgelesen werden kann, in welchem Abstand von
der realen Wirklichkeit bestimmte Medien jeweils einen Unterrichtsinhalt
repräsentieren, stellt nicht zugleich auch eine Wertskala dar. DALE
hat damit auch nicht, wie ROTH in seiner »Pädagogischen Psychologie
des Lehrens und Lernens« behauptet, »versucht, die Lernarten
und Lernmittel nach dem Grad, wie sie beeindrucken und nicht vergessen
werden, in eine Rangreihenfolge zu bringen« (ROTH 1960, S. 308).
Die Zuordnung von Medien und Erfahrungssituationen entsprechend deren Abstand
von Primärerfahrungen erfolgt lediglich zu dem Zweck, dem Lehrer ein
einprägsames Schema medialer Grundformen zu bieten und ihm Unterscheidungskriterien
an die Hand zu geben. Wie auch HUBER, der immer noch von »Veranschaulichungsmitteln«
spricht, betont: »Es läßt sich keine Rangordnung der Veranschaulichungsmittel
aufstellen. Man möchte vielleicht meinen, daß die Wirklichkeit
an erster Stelle stünde; das ist meistens, aber durchaus nicht immer
der Fall.« (HUBER 1965, S. 106) Aber auch das von HUBER angenommene
»meistens« muß bezweifelt werden; man braucht nur an
die Komplexität der wirklichen Gegenstände zu denken, die sie
- unter dem didaktischen Aspekt von Anschauung - oft unüberschaubar
macht und den Schüler in der Begegnung eher verwirrt als ihm eine
klare Einsicht verschafft. Wo es beispielsweise um das Erkennen des Arbeitsprinzips
eines Verbrennungsmotors geht, wird ein Schnittmodell dem Schüler
anschaulichere und klarere Vorstellungen und Erfahrungen vermitteln als
der Blick unter die Motorhaube eines Autos.
Die Effektivität eines Mediums hinsichtlich seiner Anschauungsfunktion
hängt nicht davon ab, welchen Grad an Wirklichkeitsnähe der von
ihm ausgelöste Lernprozeß hat, sondern allein davon, ob es den
gemeinten Inhalt sachadäquat repräsentiert. Das wesentliche Prinzip,
unter dem im Hinblick auf seine inhaltsbezogene Funktion ein Medium ausgewählt
werden sollte, ist das der Isomorphie. Worauf der Lehrer mithin besonders
zu achten hat, ist, ob die Struktur eines Mediums möglichst weitgehend
mit der des Inhalts übereinstimmt. Wo dies der Fall ist, da wird das
Medium eine eindeutige und vom Schüler nicht mißzuverstehende
Repräsentation des Inhalts leisten. Wo dies aber nicht der Fall ist,
da wird das Medium unklare Vorstellungsgrundlagen schaffen und unter Umständen
in den Augen des Schülers etwas ganz anderes darstellen, als vom Lehrer eigentlich gemeint ist. Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen:
Wo als Unterrichtsinhalt die wirtschaftliche Potenz der USA und der UdSSR
im Vergleich behandelt werden soll, da wird der alleinige Einsatz von zweidimensionalen
Landkarten mit Sicherheit falsche Vorstellungen über die geographischen
Größenverhältnisse schaffen, wenn nicht für diese
besondere Frage spezifische Statistiken oder der Globus eingesetzt werden. Ob ein Medium einen intendierten
Unterrichtsinhalt möglichst
isomorph repräsentiert, kann vor allem durch sorgfältige Prüfung
des Mediums selbst festgestellt werden.
Das hängt ab von seiner Form-Qualität. In der inhaltszentrierten
Didaktik der Gegenwart wird zumeist außer acht gelassen, daß
ein Medium aufgrund seiner besonderen Struktur Unterrichtsinhalte entscheidend
beeinflussen und auf diese eine, wie HEIMANN ausdrückt, »modifizierende
und lernförderliche oder -hemmende Wirkung« ausüben kann
(HEIMANN, 1962, S. 421). HEIMANN verweist auch darauf, daß ein Medium
»Inhalte durch seine Form-Qualität überraschend zu intensivieren,
zu verfremden, zu akzentuieren, zu entsubstantialisieren und verflüchtigen«
vermag (ebd.). Das bedeutet, daß Medienentscheidungen nicht einfach
- und gleichsam »en passant« - aus bereits getroffenen Entscheidungen
für Unterrichtsinhalte deduziert werden können, sondern sie sind
sorgsam auf die jeweiligen Inhalte abzustimmen, wobei in Betracht gezogen
werden muß, daß unter Umständen durch Rückwirkungen
eine Akzentverschiebung des ursprünglich intendierten Inhalts notwendig
wird.
Die Entscheidung für den Einsatz eines bestimmten Mediums unter
dem Gesichtspunkt der Repräsentation von Unterrichtsinhalten ist danach
zu treffen, ob es, wie FREYHOFF formuliert, den »Inhalt der Sache
nach angemessen zur Darstellung« bringt (FREYHOFF 1961, S. 56). Der
Lehrer kann eine solche Entscheidung mithin nur fällen, wenn er sie
weder ausschließlich als sekundär und didaktischen Appendix
der Inhaltsentscheidung noch ausschließlich als meßbar am »Grad
ihrer [Verf.: der Medien] internen Perfektion« (FLECHSIG) auffaßt,
sondern Medium und Inhalt in ihrer wechselseitigen Bezogenheit sieht und
sie aufeinander abstimmt.
An dem bereits dargestellten »Kegel der Erfahrung«
von DALE läßt sich veranschaulichen, mit welchen methodischen
Grundformen sich Medien optimal verbinden lassen. Nach ihrer konkretisierenden
bzw. abstrahierenden Formtendenz ordnet DALE sie in drei Klassen, die zu
je besonderen Lernaktivitäten auf selten des Schülers führen
(vgl. Abb. 62 im vorliegenden Buch, S. 387):
(1) Direkte Erfahrungen
(2) Zubereitete Erfahrungen (3) Dramatische Teilnahme |
bringen eine TUN mit sich bei abnehmender Unmittelbarkeit |
(4) Demonstrationen
(5) Exkursionen (6) Ausstellungen (7) Filme (8) Schulfernsehen (9) Rundfunk, Schallplatten, Standbilder |
bringen ein BEOBACHTEN mit sich bei abnehmender Unmittelbarkeit |
(10) Optische Symbole
(11) Verbale Symbole |
bringen eine VERSINNBILDLICHUNG mit sich bei zunehmender Abstraktheit |
In dieser Dreigliederung läßt sich unschwer die traditionelle
Dreiteilung unterrichtsmethodischer Grundformen erkennen. Legt man das
Begriffssystem von UHLIG zugrunde, so lassen sich Medien und Methoden -
bei vergröberter Tendenz -, wie hier auf Seite 395 dargestellt, einander
zuordnen (UHLIG 1953/54, S. 497f.).
Im Rahmen der strukturellen Erörterung des Methodenbezuges von
Medien zeigt sich an der vorgenommenen Zuordnung auch sehr deutlich, daß
Medien keinesfalls nur Material darbietenden Charakters - im Sinne darbietender
Lehrverfahren - sind. Medien sollen nicht nur darbieten und zeigen, sondern
sie sollen auch den Lernprozeß des Schülers anregen und diesen
aus einem bloß rezeptiven zu selbsttätig produktivem Lernverhalten
überleiten. In diesem Sinne spricht NOWAK von der Möglichkeit,
durch den Einsatz von Unterrichtsfilmen nicht nur Sachverhalte einsichtig
darzustellen, sondern zugleich auch »Hilfen zur Motivierung des Lernens« zu
geben (NOWAK 1966, S. 977). LANGEVELD verweist ebenfalls darauf, daß
Medien den Schüler nicht zum »Kettengänger der Didaktik«
machen sollen, sondern vor allem die »produktive Freiheit des Lernenden«
zu fördern haben (LANGEVELD 1956, S. 546). ]
MEDIEN, die mit sich bringen | können vorwiegend zusammengehen mit LEHRVERFAHREN | können vorwiegend zusammengehen mit LERNVERFAHREN |
ein TUN | anregender Art | selbständig-produktiver Art |
ein BEOBACHTEN | anleitender Art | geleitet-produktiver Art |
eine VERSINNBILDLICHUNG | darbietender Art | rezeptiver Art |
6.
Zum Einfluß soziokultureller Voraussetzungen auf
Medienentscheidungen
Die
Abhängigkeit der kommunikativen Eindeutigkeit
von Medien von soziokulturellen Bedingungen ist in jüngster Zeit vor allem am
Beispiel des relevantesten Verständigungsmittels im Unterricht diskutiert
worden, an der Sprache. Zahlreiche empirisch gewonnene Befunde lassen den
sicheren Schluß zu, daß das Sprachvermögen sich nicht nur aus endogenen
Faktoren entwickelt, sondern daß es vor allem durch die Zugehörigkeit zu
bestimmten sozialen Gruppen geprägt wird. Kinder erwerben jenen Sprachcode, der
in dem sozialen Milieu gepflegt wird, in dem sie heranwachsen. Wenn wir alle
besonderen Aussagen zu dieser Problematik außer acht lassen, so ist für uns
bedeutsam, daß viele Kinder ausschließlich mit einem »restringierten«
Sprachcode umgehen können und aus diesem Grade Lernschwierigkeiten haben, da
sie den in der Schule praktizierten »elaborierten« Sprachcode nicht
beherrschen. Sie sind zum großen Teil nicht in der Lage, die im elaborierten
Sprachstil erteilten Lernanweisungen zu verstehen und ihnen Folge zu leisten. Für diese Schüler erfüllt das zur
Verständigung zwischen Lehrenden und Lernenden eingesetzte Medium
Sprache seine Funktion nicht eindeutig genug.
Die »Wirksamkeit des Medieneinsatzes« hängt von der Attraktivität eines Mediums ab, diese unter anderem ihrerseits, wie W. SCHULZ formuliert, von dem »Prestige«, das ein Medium jeweils bereits im außerunterrichtlichen Raum besitzt (Schulz 1965, S. 36). Zur Zeit erfreut sich das Fernsehen in allen Bevölkerungsschichten einer großen Beliebtheit, und es zieht auch im Klassenraum - sobald das Gerät nur aufleuchtet - die Aufmerksamkeit der Schüler auf sich. Das Prestige von Medien wandelt sich fortwährend, so daß auch die Medienentscheidungen des Lehrers die gewandelten Einstellungen einbeziehen müssen, wenn sie nicht einerseits geradezu anachronistisch erscheinen
Faßt man
die Erörterungen über die soziokulturelle Bedingtheit von
Medienentscheidungen zusammen, so ist zu sagen:
* | Erstens hat der Lehrer zur Feststellung, der Unmißverständlichkeit von in Frage kommenden Medien immer auch die milieubedingte Fertigkeit der Schüler im Umgang mit den Kommunikationsmitteln zu berücksichtigen. |
* | Zweitens muß er im Hinblick auf die
sachangemessene Repräsentation intendierter Inhalte den Anschluß an
die gerade zur Zeit explosive Entwicklung neuer Medienformen behalten
und seine Entscheidungen durch den ständigen Ausbau von Lehrmittelsammlungen
vorbereiten. |
* | Drittens darf er den außerschulischen Umgang seiner Schüler mit modernen Medien nicht aus dem Blick verlieren oder gar ignorieren und muß um ständige Entrümpelung von Lehrmittelsammlungen bemüht sein (Spielfilme, die im Schulmilieu spielen, bedienen sich für ihre komischen Gags vorzugsweise rumpelkammerartiger Lehrmittelräume!). |
* | Vor allem aber sollte jeder Lehrer die Medienangebote von Verlagen usw. kritisch prüfen, ob sie überhaupt noch den gegenwärtigen soziokulturellen Bedingungen, soweit sie sich auf den Unterricht auswirken, entsprechen. |
7 Zum Einfluß anthropologisch-psychologischer Voraussetzungen
auf Medienentscheidungen
Als lernfördernde oder lernhemmende - und mithin bei allen didaktischen
Entscheidungen zu berücksichtigende - Faktoren anthropologisch-psychologischer
Art sind solche anzusehen, die durch die am Unterricht beteiligten Personen,
Lehrer und Schüler also, eingebracht werden. Dabei kann es sich um
persönliche oder entwicklungsbedingte Merkmale handeln oder um Vorkenntnisse
und Fertigkeiten, die den Lern- und Lehrstatus kennzeichnen.
Wie die Medienentscheidungen von solchen Faktoren abhängen, kann
am besten an extremen Fällen verdeutlicht werden. So machen etwa psycho-physische
Mängel, wie zum Beispiel Blindheit oder Taubstummheit, von vornherein
den Einsatz visueller oder auditiver Medien unmöglich. Statt der normalen
Sprache sind für den Unterricht mit Blinden und Taubstummen spezielle
Medien erforderlich, wie die »Blindenschrift« (Braille) und
die »Fingersprache«. Unter dem Gesichtspunkt der Anpassung
von Medien an den Entwicklungsstand der Schüler verlangte beispielsweise
B. OTTO, daß die Unterrichtssprache der jeweiligen »Altersmundart«
zu entsprechen habe.
Wie sehr ein bestimmter Lernstatus sich auf die Medienwahl auswirken
kann, zeigt sich an folgendem Beispiel: Im heimatkundlichen Unterricht
eines 3. Schuljahres einer norddeutschen Schule wurden Karten benutzt,
auf denen der Marschengürtel grün, der Geestrücken gelb
und Moorgebiete braun dargestellt waren. In diesem Schuljahr lernten die Schüler zugleich, daß Marsch fruchtbarer Boden, Geest
weniger fruchtbarer und Moor unfruchtbarer Boden ist. Sie gewöhnten
sich daran, die Symbolfarben der Karte mit den Bodenarten zu identifizieren.
Als im 4. Schuljahr Atlanten eingeführt wurden, werteten die Schüler
die Farben Grün, Gelb und Braun nicht wie im Atlas verwendet, nämlich
als Darstellung von Höhenlagen, sondern sie verstanden sie als Symbole
für die Bodengüte. Aufgrund des Lernstatus der Schüler (hier
in falsche Richtung gelenkt durch ein falsch konzipiertes Medium) war es
mithin nicht möglich, den Atlas mit seinen Karten ohne weiteres als
ein eindeutiges und unmißverständliches Medium im Unterricht
zu benutzen. Bevor das geschehen konnte, mußte der Lernstatus der
Schüler verändert werden. Wie SCHULZ formuliert, um den »Vertrautheitsgrad
in der Benutzung des Mediums« zu heben bzw. herzustellen, mußte
zuvor das Medium selbst zum Unterrichtsgegenstand werden (SCHULZ 1965,
S. 35).
Ob ein Medium seine kommunikative Funktion im Unterricht eindeutig
erfüllen kann, hängt unter anderem wesentlich davon ab, wieweit
die Schüler aufgrund ihrer psycho-physischen Konstitution bereits
imstande sind, es richtig einschätzen und gebrauchen zu können.
Weitgehend vom Lernstatus der Schüler ist auch abhängig, welches
Medium zur isomorphen Repräsentation von Sachverhalten in Frage kommt. Eine sachadäquate Vergegenständlichung von Lerninhalten kann
auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen erfolgen und durch unterschiedliche
Medienformen geleistet werden. Für welche Ebene und welche Form der
Lehrer sich entscheidet, hängt maßgeblich vom Erfahrungsstand
der Schüler ab. Wo beispielsweise im Unterricht eines 9. Schuljahres
die Bedeutung des Suezkanals für den Welthandel erörtert werden
soll, da kann unter Umständen auf, den Einsatz von illustrierenden
Bildern und Landkarten verzichtet werden. Statistiken mit Zahlen und grafischen
Darstellungen - nach DALE zu den Medienformen mit höchster Abstraktionstendenz
zählend - reichen eventuell aus, um den Sachverhalt »anschaulich«
vorzustellen, und zwar dann, wenn die Schüler über ausreichende
Erfahrungen zum Thema Suezkanal bereits verfügen, wenn sie zum Beispiel
aus dem früheren Unterricht Kenntnisse über Lage, Verlauf usw.
des Kanals haben sowie Fertigkeiten im Umgang mit Statistiken besitzen.
Den Grundsatz der Isomorphie zu befolgen bedeutet nicht unbedingt, stets
solche Medienformen einzusetzen, die eine besonders starke konkretisierende
Tendenz haben und eine große Wirklichkeitsnähe der Erfahrung
ermöglichen. Unter Ausnutzung früher gemachter Erfahrungen kommt
es darauf an, isomorphe Mittel einzusetzen, die am wenigsten zeitraubend
und aufwendig und mithin unterrichtsökonomisch vertretbar sind.
Ob ein Medium attraktiv erscheint und die Aufmerksamkeit der Schüler
erweckt, kann letzten Endes nur im Hinblick auf bestimmte Schüler
beurteilt werden. Von der Mentalität eines Schülers zum Beispiel
hängt es ab, ob er sich lieber mit einem Buch oder mit einer Bildreihe
beschäftigt, ob er sich Medien gegenüber eher passiv oder aktiv
eingreifend verhält. Außerdem wird die Attraktivität von
der Vertrautheit im Umgang mit Materialien bestimmt: Für manchen Schüler
ist ein Medium reizvoll, das ihm geläufig i ist, mit dem
er sich gerne immer wieder erneut beschäftigt, weil er es beherrscht;
für manchen anderen hingegen mag der häufige Umgang zu einer
Abstumpfung führen und das Medium seinen Reiz verlieren. Die Frage
nach der notwendigen Attraktivität kann nicht generell, sondern vom
Lehrer jeweils nur situativ entschieden werden, wobei insbesondere die
je spezifische Einstellung der Schüler zu bestimmten Medienformen
zu berücksichtigen ist. Zusammenfassend läßt sich zur anthropologisch-psychologischen
Bedingtheit von Medienentscheidungen sagen:
* Erstens hat der Lehrer, um Medien von kommunikativer Eindeutigkeit auszuwählen, die psycho-physische Konstellation und den Lernstatus der Schüler zu berücksichtigen.
* Zweitens sollte er das Isomorphie-Prinzip immer auch in einem unterrichtsökonomisch vertretbaren Rahmen durch Einbeziehung des Erfahrungsstandes der Schüler zu verwirklichen suchen.
* Drittens kann er die Attraktivität bestimmter Medien nicht an seinem eigenen Enthusiasmus, sondern ausschließlich an der Einstellung der Schüler messen.
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