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Professor Andreas Schwill bildet an der Universität künftige Informatiklehrer aus
Potsdamer Neueste Nachrichten - 01.02.2000
An der Universität Potsdam werden Informatiklehrer aus- und weitergebildet.
Der Inhaber des Lehrstuhls für Didaktik der Informatik Andreas Schwill
ist an einer Arbeitsgruppe zur Novellerung der Rahmenpläne für
den Informatikunterricht beteiligt. Mit ihm sprach Nora Damme.
Viele Schulen der Stadt versuchen, sich über den Informatikunterricht
zu profilieren. Wie wichtig ist Informatik für die Ausbildung?
Wenn man beobachtet, wie sehr die lnformationstechnik das gesamte Leben
bestimmt, müsste eine grundständige Ausbildung in der Schule
für jeden verpflichtend sein. Auch in den Klassen sieben bis zehn
wäre Plicht-Informatik wünschenswert. Im Moment nehmen jedoch
nicht alle Schüler am Informatikunterricht teil. Inhaltlich bietet
die Schule zurzeit eine informationstechnische Grundbildung, die im Wesentlichen
nur Bedienfertigkeiten vermittelt. Wichtig ist aber, dass man auch versteht,
welche Prinzipien da wirken. Nur im lntemet zu surfen, ohne hinter die
Technologien zu gucken, ist unzureichend.
Heißt das, der lnformatikunterricht erfüllt inhaltlich
nicht die Anforderungen, die später an den Schüler gestellt werden?
Der Informatikunterricht schon. Ich meine aber, dass das, was nach
der Schule in allen Berufen gebraucht wird, nicht alleine die Bedienfertigkeiten
sind, sondern auch ein Informatikverständnis. Nicht in einem so hohen
Maße wie bei der Mathematik, aber doch von der Wissenschaft geprägt
und nicht nur von Nutzung und Anwendung.
Gehört das Programmieren unbedingt dazu?
Nein, das führt oft dazu, dass Informatik mit Programmieren identifiziert
wird. Wir Informatiker nutzen den Computer auf einer höheren Ebene,
indem wir überlegen, wie solche Maschinen sinnvoll eingesetzt werden
können. Wenn man Software entwickelt, kommt man auf einen Anteil von
etwa 80 Prozent Nachdenken und 20 Prozent Programmieren. In der Schule
sollten wir versuchen, mehr das große Ganze zu beobachten. Beispielsweise
kann man in der Klasse die Frage diskutieren: Wo kann man hier automatisieren?
Was muss man dabei beachten?
Der rein anwenderorientierte Unterricht reicht nicht aus? Schließlich
muss ein Autofahrer nicht den Aufbau eines Motors kennen.
Das Autofahren lernen wir sinnvollerweise nicht in der Schule. Solche
Bedienfertigkeiten, mit denen die Kinder heute aufwachsen, kann man sich
an anderer Stelle aneignen. Aber die physikalischen Grundlagen eines Motors,
also Explosionsvorgänge, Kraft- und Hebelwirkungen, das ist Allgemeinbildung.
In der Informatik müssen wir uns ebenso loslösen von relativ
schnell wechselnden Inhalten und uns mehr auf solche Grundlagen stützen.
Ein weiteres Problem im lnformatikunterricht sind die enormen Qualitätsschwankungen,
woran liegt das?
Das Manko der Informatik in der Schule ist, dass es, seit man sie 1975
an den Schulen im Westen eingeführt hat, nur ganz wenige grundständig
ausgebildete Informatiklehrer gibt. Etwa 80 bis 90 Prozent sind an den
Universitäten oder den Landesinstituten weitergebildete Lehrer. Dabei
ergeben sich zwischen den Ländern gewaltige Qualitätsunterschiede.
In Brandenburg, gerade bei uns in Potsdam, ziehen wir die Leute eigentlich
durch ein Volistudium durch. In anderen Flächenländem hat es
weniger umfassende Konzepte gegeben, z.B. "Stille-Post-Verfahren":Lokal
wurden ein paar Lehrer ausgebildet, die dann in den Außenstellen
wieder Lehrer weiter gebildet haben, manchmal nur sehr rudimentär.
Auch für Lehrer genügt es nicht, einen Computer bedienen
zu können?
Man muss sich von vielen Dingen lösen, die man als Informatiklehrer
in anderen Fächern gewohnt war. Fortwährend wird man mit neuen
Konzepten konfrontiert, sei es Java oder Internet oder e-commerce. Die
Frage ist immer: Gibt man dem nach oder zieht man planmäßig
seinen Unterricht durch? Weiterhin arbeiten Informatiker extrem projektorientiert,
also immer in großen Gruppen. In der Software-Produktion sind Heerscharen
von Informatikern an einem Produkt beschäftigt. Das würde nie
einer alleine schaffen. Man hat daher Projektarbeit in den Rahmenplänen
festgeschrieben. Viele Lehrer machen es trotzdem nicht, weil sie sagen,
das ginge im Schulalltag nicht oder sie hätten nicht die Schüler
dafür. Ich vermute, dass die meisten Lehrer wenig Erfahrungen und
eine gewisse Scheu davor haben, sich bei Projektarbeit stärker zurück
zu nehmen. Für den Lehrer ist das sehr schwierig, weil er keine vollständige
Kontrolle mehr über das Unterrichstgeschehen hat. Er ist nicht mehr
der Allwissende. Im Projektunterricht geht der lnformationsfluss auch mal
von Schüler zu Lehrer.
Der Lehrer wird oft durch die Wartung und Betreuung der Schulcomputer
zusätzlich belastet, wie kann man da Abhilfe schaffen?
Eine Lösung wäre ein Systemverwalter, der eventuell mehrere
Schulen gleichzeitig betreut und irgendwo auf Abruf sitzt. Ich könnte
mir vorstellen, dass für die gesamten Potsdamer Schulen ein Systemverwalter
ausreichen würde. Vermutlich wäre aber die ideale Lösung,
wenn die Informatiklehrer eine Unterrichtsabsenkung für die Rechnerbetreuung
kriegen. Das wäre in ihrem Sinne, weil sie so den technischen Überblick
behalten und sich auch weiter bilden können.
Wie sind ihre Studenten selbst auf das Studium der Informatik vorbereitet?
Man braucht nicht Informatik in der Schule gehabt zu haben, um Informatik
studieren zu können,. Man kann auch Psychologie studieren, ohne es
in der Schule gehabt zu haben. Für die Informatik braucht es vor allem
logisches und strukturelles Denken sowie Denken in Abläufen, ferner
sprachliche Fähigkeiten, um etwas präzise aufschreiben zu können.
Dort hapert es oft bei unseren Studenten. Im Informatikunterricht der Schule
müssen wir die Leute mit Informatikkenntnissen versorgen, die hinterher
nicht Informatik studieren,vor allem um sie für nahezu jeden späteren
Beruf zu qualifizieren.
(Das obige Transskript stimmt nicht unbedingt mit der publizierten Version überein)
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