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Teleteaching-Versuch am Lehrstuhl für Didaktik der Informatik erfolgreich abgeschlossen


Ausgangspunkt

Im SS 1997 haben der Lehrstuhl für Didaktik der Informatik unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Schwill und die AG Informatik und Gesellschaft der Universität Paderborn unter Leitung von Prof. Dr. Reinhard Keil-Slawik eine Lehrveranstaltung im Lehramtsstudium Informatik in Form einer Projektgruppe mittels Teleteaching durchgeführt. Auslöser war die Notwendigkeit, an der Universität Paderborn Veranstaltungen zur Didaktik der Informatik anzubieten, nachdem das Fachgebiet durch Wechsel von Prof. Schwill an die Universität Potsdam nicht mehr vertreten war.

Mit dieser Veranstaltung wurde in dreierlei Weise Neuland betreten, zum ersten durch die Veranstaltungsform "Projektgruppe für Lehramtsstudierende", zum zweiten durch die Art der Durchführung mittels Fernbetreuung und zum dritten durch die Aufgabenstellung und die erzielten Arbeitsergebnisse.

Projektgruppen im Lehramtsstudium Informatik

In einer Projektgruppe sollen 6-12 Studenten (hier waren es neun Studierende) über einen Zeitraum von 1-2 Semestern eine größere Problemstellung gemeinsam selbständig und eigenverantwortlich bearbeiten. Hierzu gehört u.a. die Erarbeitung von Grundlagen, die Verfeinerung des Themas sowie die Planung verfügbarer Ressourcen, vor allem des Personals und der Zeit.

Während Projektgruppenlehrveranstaltungen in vielen Diplomstudiengängen Informatik vorgeschrieben sind, ist diese Veranstaltungsform bisher in keinem Studienplan für das Lehramtsstudium erfaßt. Andererseits sind Projektgruppen in allen Bundesländern verpflichtender Bestandteil des Informatikunterrichts an Gymnasien. Den zukünftigen Lehrkräften fehlen folglich solide Erfahrungen bei der Bewältigung der mit Projektgruppen einhergehenden Merkmale wie Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Gruppe, Produktorientierung, soziales Lernen und der damit zusammenhängenden Probleme, z.B. Steuerung der Gruppe, Leistungsbewertung.

Diese Kompetenzlücke zu schließen, war eines der Ziele der Veranstaltung.

Lehrveranstaltungsform

Um eine Fernbetreuung der Gruppe aus Potsdam zu ermöglichen, mußte ein lückenloser Informationsfluß zwischen Paderborn und Potsdam gesichert sein. Dazu war es erforderlich, alle Dokumente und Absprachen, die während der Projektlaufzeit anfielen, systematisch elektronisch zu erfassen und dem Zugriff aller Teilnehmer, vor allem des Fernbetreuers, zur Verfügung zu stellen. Wesentliche Unterstützungsfunktion leistete hierbei das innovative System Hyperwave (früher Hyper-G), eine WWW-Serversoftware, die eine Reihe von Funktionen zur computergestützten Gruppenarbeit bietet und in der alle während des Projekts erstellten Dokumente, also Diskussionsprotokolle, Beschlüsse, Bausteine des Endprodukts usw. sowie ggf. jeweils Anmerkungen dazu abgelegt wurden. Das System unterstützt diese Dokumentenverwaltung durch die automatische Konsistenzhaltung von Links zwischen Dokumenten und die Möglichkeit zur Vergabe von Zugriffsrechten an Dokumente, ferner durch leistungsfähige Suchfunktionen, durch ein übersichtliches Erscheinungsbild (z.B. Bildung von Ordnern), durch die automatische Erfassung von Publikationsmerkmalen (Datum, Autor, Version) und durch die Möglichkeit, Dokumente annotieren zu können.

Die weitere Betreuung zu einzelnen Fragestellungen der Teilnehmer erfolgte über electronic mail.

Für die Betreuung vor Ort (in Paderborn) stellten wir der Gruppe mit Dipl.-Inform. Dieter Engbring auch einen Betreuer aus der AG Informatik und Gesellschaft zur Seite.

Themenstellung und Projektergebnis: Iteration und Rekursion

Aus unterrichtlichen Erfahrungen und psychologischen Untersuchungen ist bekannt, daß Anfänger i.a. erhebliche Schwierigkeiten haben, Rekursionen zu formulieren und nachzuvollziehen. In diesem Projekt waren Methoden zu entwickeln, wie Iterationen und Rekursionen didaktisch vermittelt werden können: Kognitive Voraussetzungen, Bestimmen geeigneter Beispiele und Unterrichtsmittel, Knüpfen von Bezügen zwischen Iteration und Rekursion, Problem der curricularen Abfolge, Einfluß der Programmiersprache, Nutzen moderner funktionaler Sprachen usw.

Das Projekt bestand aus zwei Phasen: In der Seminarphase arbeiteten sich alle Mitglieder in die vorhandene Literatur, überwiegend Originalarbeiten, ein, präsentierten einander die Ergebnisse in Vortragsform und erstellten eine schriftliche Ausarbeitung. Zugleich arbeiteten sich die Teilnehmer in die Benutzung der Hyperwave-Software ein.

In der Realisierungsphase wurden auf der Basis der Erkenntnisse aus der Seminarphase und eigener Überlegungen Vorschläge entwickelt, wie Iteration und Rekursion im Schulunterricht vermittelt werden können. Die Vorschläge sind in ein elektronisches Buch in Form eines Hypertext-Dokuments für Lehrer gemündet, das die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Seminarphase lehrergerecht aufbereitet und in Form weiterbildenden Selbstlernmaterials verknüpft mit Unterrichtsvorschlägen, methodischen Hinweisen, organisatorischen Fragen usw. präsentiert. Das Dokument ist im Internet unter der Adresse

http://hyperg.uni-paderborn.de/IuR_Startseite

allgemein verfügbar.

Erfahrungen

Die Erfahrungen waren vielfältig.

Zum einen hat der Versuch gezeigt, daß es eine Vielzahl gradueller Abstufungen von Teleteaching-Ansätzen gibt, die sich möglicherweise in der Praxis langfristig besser bewähren. In jedem Fall ist der praktizierte Teleteaching-Ansatz aber leichter durchzuführen, weil technisch anspruchsloser als eine Direktübertragung einer Lehrveranstaltung mit der Möglichkeit zur Rückkopplung durch die Teilnehmer. Von der Öffentlichkeit wird irrtümlich meist nur die zuletzt genannte Form mit dem Begriff Teleteaching verbunden.

Zum anderen bestand für die Studierenden zunächst eine nicht zu vernachlässigende Einarbeitungs- und Eingewöhnungsphase, weniger beim Umgang mit dem Gerät und der Software als bei der Gewöhnung an einen anderen Arbeits- und Kommunikationsstil. So war der Fernbetreuer anfangs nicht immer ausreichend informiert, weil entscheidende Denkansätze und Diskussionsergebnisse der Projektgruppe nur zögerlich den Weg ins System fanden. Dieses Ergebnis läßt auf eine längere Vorlaufzeit bei allen elektronisch orientierten Teleteaching-Ansätzen schließen.

Es steht zu vermuten, daß ohne den Betreuer vor Ort, das Projekt gescheitert wäre, da Unklarheiten über die nächsten notwendigen Arbeitsschritte nur im direkten Gespräch und nicht durch electronic mail oder durch Dokumentation der Diskussion im Netz geklärt werden konnten.

Für einige Teilnehmer geht die Arbeit noch weiter. Sie soll zu Examensarbeiten zum Thema Iteration und Rekursion führen, darüber hinaus sollen die Ergebnisse im März 1998 in Form einer Posterpräsentation auf der Fachtagung "Informatik und Ausbildung", Stuttgart, dem interessierten Fachpublikum vorgestellt werden.

In diesem Semester führt der Lehrstuhl für Didaktik der Informatik wiederum eine Projektgruppe an der Uni Potsdam unter Nutzung der Hyperwave-Software durch. Das Thema lautet diesmal "Anfangsunterricht Informatik".

Dieter Engbring, Universität Paderborn
Andreas Schwill, Universität Potsdam

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